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Fast ohne CoronaSanté präsentiert Bericht über Infektionskrankheiten in Luxemburg 

Fast ohne Corona / Santé präsentiert Bericht über Infektionskrankheiten in Luxemburg 
Jean-Claude Schmit, Direktor der Gesundheitsdirektion, und Gesundheitsministerin Paulette Lenert stellen den Bericht über das Infektionsgeschehen in Luxemburg vor Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Es gab Zeiten, da stellten sich in Pressekonferenzen über Infektionskrankheiten Fragen nationaler Sicherheit. Ganz anders die Vorstellung des jährlichen Berichts zur Überwachung der Infektionskrankheiten am Dienstag. Eine Präsentation fast ganz ohne Corona.

Was für ein Kontrast. Gerade ein paar Sommer ist es her, dass die Gesundheitsdirektion zu ihren Presseveranstaltungen in die stattliche Villa Louvigny mitten in der Stadt geladen hatte. Als Journalist klingelte man damals an der Schranke in der „Allée Marconi“, eine Straße, deren einziger Zweck es ist, die Gäste standesgemäß zu der 100 Jahre alten Immobilie zu leiten. Man wurde ohne großes Prozedere eingelassen, parkte seinen abgeranzten Reporter-Benz zwischen Ministerin und Gesundheitsdirektor, sagte an der Pforte „Moien“ und saß alsbald im mit Naturstein getäfelten Konferenzsaal, 1,40 Meter Luftlinie von der Exekutive entfernt. Mit bebenden Stimmen wurden Fallzahlen, Pandemie-Projektionen und Corona-Tote verlesen. Und draußen stand die Welt still.

Wie anders die Post-Corona-Welt, und wie anders die neue Domäne der Gesundheitsdirektion: eine Wand in Betongraubraun in Luxemburg-Hamm. Den Anweisungen des bemühten Sicherheitspersonals Folge zu leisten, ist nicht einfach, denn die Gegensprechanlage kommt nur schwerlich gegen die vierstrahligen Jets an, die vom Himmel herunterbrüllen, während sie zur Landung auf dem Findel ansetzen. Die neue „Santé“ residiert in gerader Linie ziemlich genau einen Kilometer hinterm Ende des Runways. Um hineinzugelangen, müssen Schranken, Tore, Türen, Keypads und Schiebetüren überwunden werden. Ist man dann einmal drin und schaut durch die getönten Fenstern des neuen Konferenzsaals, weiß man nicht, ob draußen ein Sturm tobt oder die Sonne scheint. Aber die Akustik ist dann genauso frei von Lärm wie die in der Villa Louvigny im Lockdown.

Bilanz fast ohne Corona

Deshalb ist Gesundheitsdirektor Jean-Claude Schmit gut zu verstehen, als er am Dienstagnachmittag gemeinsam mit Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) eine Bilanz zieht. Über den Stand der Dinge in Sachen Infektionskrankheiten und über die Geschichte des Meldewesens dafür in Luxemburg. Und die wird – fast – ohne Corona erzählt. Was für ein Kontrast.

Fast eine Stunde lang referiert Schmit über die Historie der Überwachungssysteme. Die ist mit 181 länger als die der Villa Louvigny. Und sie war von zahlreichen Reformen geprägt, die mal mehr, mal weniger gut geklappt hatten. Zuletzt 2018, also kurz vorm Super-Ernstfall. Am entsprechenden Gesetz zur „obligatorischen Meldung bestimmter Infektionskrankheiten“ vom 1. August 2018 hat der Infektiologe Schmit selbst mitgearbeitet, erklärt er. Die neuen Regeln führten unter anderem ein, dass es für bestimmte Erkrankungen Referenzlaboratorien gibt – für Corona war das beispielsweise das nationale Gesundheitslabor LNS. Dem „Conseil supérieur des maladies infectieuses“ wurde eine solidere legale Basis gegeben. Die Zahl der meldepflichtigen Krankheiten wurde verkleinert, Exoten wurden ausgeschlossen. Die Meldungen sollten jetzt 24 Stunden am Tag entgegengenommen werden. Aber noch immer durften und dürfen die Ärzte sie per Fax verschicken. „Da ist viel gelacht worden in der Covid-Krise übers Fax“, sagt Schmit. „Aber das hat die Chamber damals von uns verlangt. Mit dem Argument, man könne die Ärzte nicht dazu zwingen, digital zu arbeiten.“ Man fände zwar, dass das „mittlerweile so nicht unbedingt“ sei. Aber das System funktioniere. Es sei so umfassend und erschöpfend wie es nur sein könne, arbeite in Echtzeit und ermögliche so rechtzeitige und datenbasierte Interventionen. „Es ist nicht perfekt. Aber fast perfekt“, sagt Schmit.

Salmonellen im Grillfleisch

Schmit berichtet dann von Salmonellen, Tuberkulose, Grippewellen und Affenpocken. Bei den Salmonellenerkrankungen gebe es traditionell im Sommer eine Häufung in Luxemburg. „Grillzeit ist die Zeit, in der die meisten Salmonelleninfektionen auftreten“, sagt der Mediziner. Wenn man morgens mit der Kühltasche losgehe, sei das Fleisch abends nicht mehr kalt – und die Salmonellen vermehren sich schnell. Die Zahl der Tuberkulose-Fälle sei im vergangenen Jahr angestiegen. Schmit führt das auf die vom Krieg verursachte Migration zurück, aus Ländern, in denen die Prävention noch nicht so gut funktioniere. Bei den Affenpocken MPox, die im vergangenen Jahr zumindest in einigen Medien für Angst und Schecken gesorgt hatten, sei im Sommer ein leichter Anstieg der Fallzahlen verzeichnet worden, auch ein Kleinkind sei infiziert worden. Insgesamt habe es im Land aber nur 57 Fälle gegeben, fast alles Männer. Und: „Alle Menschen, die MPox hatten, sind geheilt und alles ist gut verlaufen“, sagt Schmit.

Mit Spannung blickt die Gesundheitsdirektion auf den kommenden Herbst. Denn die Grippewellen seien durch Corona durcheinander gebracht worden – und es bleibe abzuwarten, was dann in diesem Jahr passiert. Corona – da war’s dann also doch. Ist die Covid-Pandemie – amtlich – vorbei? Auf dieses Glatteis lässt sich ein Infektiologe nicht führen. „Das wissen wir nicht“, sagt Schmit. „Was definitiv ist im Leben, ist immer schwierig zu sagen.“ Es würden noch immer positive Tests hereinkommen. Aber es würde wenig getestet. „Weil die Leute sich nicht krank fühlen.“ Die Resultate aus dem Abwasserüberwachungssystem wiesen aber derzeit in eine klare Richtung: „Das hat sehr abgenommen“, sagt Schmit. „Covid gibt’s noch, aber es ist augenblicklich sehr ruhig.“

Schmit geht davon aus, „dass die Lage auch weiterhin unter Kontrolle bleiben wird“. Im Herbst könne es vielleicht ratsam werden, Alte und Gefährdete zu impfen, wie man auch gegen Grippe impfe. „Das ist eine Möglichkeit. Wobei ich mir jetzt keine große Covid-Welle erwarte.“

Sorgen macht dem Gesundheitsdirektor wohl ein Covid-Nebeneffekt, der anscheinend noch nicht so stark abgeklungen ist wie die Pandemie selbst: die Imfpskepsis. „Die Menschen werden gegenüber Vakzinen immer skeptischer“, sagt Schmit. Und zwar nicht nur gegenüber Impfmitteln gegen Covid-19. „Es ist eine Tendenz, die man europaweit und weltweit sieht“, sagt der Mediziner. Es gebe mehr Menschen, die skeptisch gegenüber der Wissenschaft und wissenschaftlichen Fakten seien. Es würden leider sehr viele Desinformationen verbreitet. „Dem muss man begegnen“, sagt Schmit. Man müsse in einen Dialog mit den Menschen treten und ihnen immer wieder korrekte Informationen geben. Man könne Kampagnen machen, aber es sei eher die regelmäßige Aufklärung, bei der man bestimmte Gruppen von Menschen ansprechen müsse. Derzeit werde eine neue Studie in Sachen Impfwilligkeit gemacht, in den nächsten Monaten gäbe es wieder Daten. Aber, sagt Schmit: „Die Tendenz ist im allgemeinen leicht fallend. Sie geht in Europa zu weniger Impfungen, leider.“

Was passiert bei der nächsten Pandemie? „Man weiß nie, was kommen wird“, sagt Paulette Lenert. „Aber wir sind anders aufgestellt, wir haben uns Mittel gegeben.“ Das Überwachungssystem der Santé sei ein Beispiel dafür, aber auch die Organisation, die Spitäler, die Infrastruktur. „Von daher wird es nicht mehr so einen chaotischen Auftakt geben, wenn wir noch einmal geschlagen werden sollten.“

Naturstein und Corona: Santé-Pressekonferenz in der Villa Louvigny im Juni 2020
Naturstein und Corona: Santé-Pressekonferenz in der Villa Louvigny im Juni 2020 Foto: Editpress/Claude Lenert
Miette
21. Juni 2023 - 23.04

Wie reagieren vor Jahren auf eine bedrohliche Krankheit? Nun kennen wir das Virus und die Fälle von Corona werden weniger. Leben nun weiter und gut ist?

Beobachter
21. Juni 2023 - 14.20

Die Corona Hysterie war wohl total übertrieben genauso wie Corona aktuell komplett ignoriert wird! Von einem Extrem ins Andere.