Headlines

DigitalisierungNeue Führungsetage in der eSanté: „Hoffen, dass eSanté zurück an den Tisch findet“

Digitalisierung / Neue Führungsetage in der eSanté: „Hoffen, dass eSanté zurück an den Tisch findet“
Das neue Führungstrio von eSanté: Ian Tewes, Marc Hostert und Giuseppe Fontane Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die eSanté ist nicht nur das „Dossier de soins partagé“. Das ist die Hauptmessage der neuen Führung der Agentur, die sich an der Schnittstelle zwischen Gesundheit und Digitalisierung bewegt. Sie will in Zukunft öfters kommunizieren – und würde es begrüßen, wenn die AMMD ihren Sitz im Verwaltungsrat wieder besetzen würde.

Die Luxemburger Schnittstelle zwischen Gesundheit und Digitalisierung, die Agentur eSanté, hat sich in den vergangenen sechs Monaten komplett neu aufgestellt: Marc Hostert ist im Juni zum Präsidenten des Verwaltungsrates von eSanté, Ian Tewes im September zum neuen Direktor ernannt worden. Man wolle zukünftig besser kommunizieren, was die eSanté eigentlich macht und was nicht, „um sich klar zu positionieren“, so Hostert auf einer Pressekonferenz am Mittwoch. Mit Ian Tewes will der neue Präsident auch den richtigen Mann gefunden haben. „Er hat einen Background in der Informatik, im Project Management, und kennt die Regierungsgeschäfte“, sagte Hostert. Man wolle für das zehnjährige Bestehen der eSanté eine gewisse Stabilität haben. Für Kontinuität in der Führungsriege sorgt Giuseppe Fantone, der seit 2016 beigeordneter Direktor ist und zukünftig auch bleiben wird.

Streit zwischen AMMD und eSanté

Grundsätzlich geht es im Streit um die Handhabung der Digitalisierung im Gesundheitssektor und die Handhabung der elektronischen Patientenakte DSP („Dossier de soins partagé“).  Und um Geld. Denn: Bis zu 4,5 Millionen Euro hat die AMMD bisher in ihre „GesondheetsApp“ und das Digital Health Network (DHN) investiert. Das DHN ist im Grunde genommen ein zur Plattform der eSanté konkurrierendes System, das es dem Patienten erlaubt, über die „GesondheetsApp“ die eigenen medizinischen Dokumente online zu verwalten und Rechnungen direkt zu bezahlen oder auch Termine zu planen. Der Streit ist nicht neu: Bereits im Dezember 2021 warf die AMMD der eSanté ein „borniertes Vorgehen“ vor. Ein Vorwurf der AMMD war unter anderem, dass die eSanté gegen Datenschutzrechte verstoße. „Es gibt drei Möglichkeiten, bei der CNPD (Red.: „commission nationale pour la protection des données“) Beschwerde einzureichen“, sagte Marc Hostert. „Sollte ein Vorwurf auch nur den Anschein von Legitimität haben, landet ein eingeschriebener Brief bei mir auf dem Schreibtisch“, erklärte Hostert. Das sei aber bis jetzt noch nicht der Fall gewesen.

Die Neubesetzung der Führungsetage kommt nicht von ungefähr. Sie bettet sich in den bereits seit längerem schwelenden Streit zwischen der Ärzteschaft AMMD und dem früheren Direktor Christian Oberlé ein. Die AMMD verließ aufgrund der Differenzen im Oktober 2022 den Verwaltungsrat der eSanté. „Die AMMD ist weiterhin Mitglied des ‘groupement intérêt économique’“, sagte Hostert. Man warte darauf, dass die AMMD ihren Stuhl im Verwaltungsrat wieder besetze. „Wir bleiben aber auch so beschlussfähig“, gab Hostert zu verstehen. Der Verwaltungsrat sei schließlich ein Kollegium, wo die Mehrheit entscheide. „Es gab Differenzen, jedoch hoffe ich, dass die AMMD ihren Weg zurück an den Tisch findet, um ihren Beitrag zu leisten“, sagte Hostert. „Die Digitalisierung kann nicht gegen einen großen Akteur gemacht werden.“

DSP, CVE und DOMI

Die eSanté ist aber nicht nur das „Dossier de soins partagé“ (DSP). Darauf legte die neue Führungsriege bei der Pressekonferenz am Mittwoch viel Wert. Man wolle auch den elektronischen Impfausweis einführen („carte de vaccination électronique“, CVE). Das beinhalte unter anderem, dass alle Impfnachweise auch über das DSP abrufbar seien und der behandelnde Arzt die bereits getätigten Impfungen jederzeit prüfen könne. Um diesen Service anbieten zu können, müsste die dafür nötige Gesetzeslage noch ausgearbeitet werden. Ein Prozess, bei dem man zukünftig umdenken müsse. „Für den legislativen Prozess müssten Juristen mit Experten zusammenkommen, damit die Digitalisierung von Beginn an mitgedacht wird“, erklärte Hostert. Derzeit würde die Digitalisierung noch zu oft in einer zweiten Etappe gedacht werden. „Wenn in einem Gesetzestext beispielsweise steht, dass etwas per Einschreiben erfolgen muss, macht das natürlich Probleme“, erklärte Ian Tewes.

Ian Tewes ist der neue Generaldirektor der eSanté. Tewes wurde im Februar 2022 von Gesundheitsministerin Paulette Lenert als Generalkoordinator ins Gesundheitsministerium berufen. Davor war er von Lenert mit dem Aufbau des Verbraucherschutzministeriums beauftragt worden.
Ian Tewes ist der neue Generaldirektor der eSanté. Tewes wurde im Februar 2022 von Gesundheitsministerin Paulette Lenert als Generalkoordinator ins Gesundheitsministerium berufen. Davor war er von Lenert mit dem Aufbau des Verbraucherschutzministeriums beauftragt worden. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Zudem stellt die eSanté mit „Wellkomm“ eine informatische Lösung für die Ärzte zur Verfügung, die sich um die medizinische Versorgung von Flüchtlingen kümmern. 80 Ärzte könnten mit dem technischen Hilfsmittel über 60.000 Dokumente verwalten und somit den Überblick bei 38.863 ärztlichen Untersuchungen und 7.863 behandelten Patienten behalten.

Für kleinere Krankenhauseinrichtungen wie das Reha-Center in Kolpach oder das Gemeindespital in Steinfort stellt eSanté mit „IdeoMed“ eine Software zur Verfügung, mit der die eher kleineren Strukturen ihre Patienten und Bettenbelegung verwalten können. „Die Sicherheit, der Service und die informatische Unterstützung ist für kleine Häuser nur sehr schwer zu verwalten“, sagte Tewes. Wie es bei der Vereinheitlichung der digitalen Krankenhaussysteme weitergeht, konnte eSanté nicht beantworten. „Es ist eine politische Entscheidung, welche Rolle eSanté übernehmen soll“, sagte Hostert. Auch, in welche Richtung man gehen wolle – ein einheitliches informatisches System oder das Beibehalten mehrere Systeme mit entsprechenden Schnittstellen –, sei noch nicht genau definiert.

Kurz vor Covid habe man bei eSanté mit DOMI („Déclaration obligatoire des maladies infectieuses“) ein Hilfsmittel eingeführt, das besonders während der Covid-Pandemie zum Tragen kam. „Mit DOMI werden Daten automatisch aus den Laboratorien über unsere Plattform zur Gesundheitsdirektion weitergeleitet“, erklärte Tewes. Dadurch sei Luxemburg eines der ersten Länder gewesen, das zu jeder Zeit wusste, wie viele Menschen im Land positiv getestet wurden. „Die Gesundheitsdirektion weiß dann, was in unserem Land vor sich geht.“ Tewes verweist im Pandemie-Kontext auch auf eConsult, das dank eSanté in Windeseile aufgesetzt wurde, damit nicht jeder mit einer Corona-Infektion zum Arzt laufen musste. „Das hat sicherlich einige Covid-Infektionen vermieden“, so die eSanté.

Patientensicherheit

Abseits der bekannteren und viel genutzten Applikation sei die eSanté aber auch bei der Überwachung der Patientendaten zuständig. Es könne vorkommen, dass ein Arzt sich bei der Sozialversicherungsnummer vertippe und schon habe er die falsche Patientenakte. Ein Mitarbeiter der eSanté sein eigens dafür beauftragt, die Krankenhäuser auf Doppelungen in den informatischen Systemen oder sonstige Fehler hinzuweisen. Das von der eSanté aufgestellte WSE („Web Service Externe“) erlaube es hingegen Ärzten, Apothekern oder auch dem CGDIS, die Affiliation des Patienten zu prüfen.

Wir müssen Digitalisierung anders denken als im A4-Format

Ian Tewes, Direkto der eSanté

Ein wichtiger Baustein für die Zukunft seien elektronische Verschreibungen. „Es gibt Arbeiten auf europäischer Ebene“, sagte Tewes. Ziel sei es schließlich, ärztliche Attests in der EU zu standardisieren. Dafür aber brauche es eine Datenbank mit sämtlichen Medikamenten und eine klare Gesetzgebung. „Das muss dann end-to-end, also vom Arzt bis zum Apotheker genutzt werden können und in die verschiedenen Verwaltungssoftwares integriert werden.“ Mit dem Scannen und dem Erstellen eines virtuellen PDF-Dokumentes sei es demnach nicht getan. „Wir müssen Digitalisierung anders denken als im A4-Format.“

„Die Digitalisierung birgt große Chancen“, meinte Hostert. Luxemburg sehe, anders als die baltischen oder skandinavischen Länder, vor allem die Risiken der Digitalisierung. „Beim Staat arbeitet keiner, der dem Bürger etwas Böses will.“ Im „tiefkatholischen Luxemburg“ aber müssten, im Gegensatz zu reformistischen Ländern, immer doppelte Anstrengungen in dieser Hinsicht unternommen werden.