Headlines

Wohnungsmarkt„Amortissement accéléré“: Was es ist und wie es funktioniert

Wohnungsmarkt / „Amortissement accéléré“: Was es ist und wie es funktioniert
Anhand der steuerlichen Maßnahme des „Amortissement accéléré“ will die Regierung eine neue Dynamik auf dem Mietmarkt schaffen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Investoren sehnen es herbei, Experten bezweifeln seine Wirkungsmacht in der aktuellen Wohnungsbaukrise: Die Rede ist vom „Amortissement accéléré“. Doch was es mit der Steuermaßnahme auf sich hat, wissen nur die wenigsten. Das Tageblatt hat nachgeforscht.

Die Regierung Frieden hat im Koalitionsprogramm angekündigt, das mittlerweile berühmt-berüchtigte „Amortissement accéléré“ wieder für einen begrenzten Zeitraum aufzuwerten. „Die Philosophie dieser Maßnahmen ist, dass wieder Bewegung in den Wohnungsmarkt kommt, damit Leute Anreize bekommen, in den Wohnungsbau zu investieren, damit neue Wohnungen entstehen und somit eine soziale Krise verhindert werden kann“, begründete Premierminister Luc Frieden diesen Schritt in seiner Regierungserklärung vor der Chamber. Das alles soll laut Frieden bereits ab 2024 gelten.

Doch wie funktioniert die Maßnahme, die dafür sorgen soll, dass wieder Bewegung in Luxemburgs Wohnungsmarkt kommt? Beim „Amortissement accéléré“ wird dem Investor ermöglicht, die Investitionskosten für eine Mietimmobilie von den Steuern abzuschreiben, die der Investor eigentlich auf die Mieteinkünfte zahlen müsste. Anhand dieser steuerlichen Vergünstigungen will die CSV-DP-Regierung Investitionen in Wohnimmobilien wieder schmackhaft machen. Derzeit ist das „Amortissement accéléré“ auf fünf Jahre mit einer Abschreibungsrate von vier Prozent der Immobilie fixiert. Im sechsten Jahr greift dann die normale Abschreibungsrate von zwei Prozent. Für Vermieter, deren Mietimmobilien den Wert von einer Million Euro nicht übersteigen, gilt eine Abschreibungsrate von fünf Prozent über fünf Jahre.

Wie genau das „Amortissement accéléré“ eingeführt werden soll, ist derzeit noch unklar. Fest steht nur, dass die „Höhe der steuerlichen Vergünstigungen“ gedeckelt werden sollen. Im Wortlaut steht im Regierungsprogramm: „Le taux de l’amortissement accéléré de logements construits en vue de leur location ainsi que la durée de la période d’amortissement seront augmentés. Le montant total de la faveur fiscale sera plafonné.“ Ob die Deckelung pro Immobilie, auf den Gesamtbesitz oder im Hinblick auf das Einkommen des Vermieters erfolgen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ganz klar. Die vage Formulierung im Regierungsabkommen lässt reichlich Platz für Spekulationen. Einen direkten Einfluss auf die Mietpreise hat das „Amortissement acccéléré“ keinen. Die Überlegung der Regierung lautet folgendermaßen: Durch mehr Investitionen in Mietimmobilien soll das Angebot an Mietwohnungen deutlich gesteigert werden. Dem Anstieg der Mietpreise soll durch das vergrößerte Angebot somit Einhalt geboten werden. Ganz nach dem Motto: Der Markt wird es schon regeln.

Paradoxon

Ursprünglich wurde das „Amortissement accéléré“ eingeführt, um einen Werteverlust der Immobilien abzufedern. Die Entwicklung des Luxemburger Wohnungsmarktes aber hat gezeigt: Die Immobilien verlieren nicht, sondern gewinnen mit der Zeit an Wert. Mit dem „Amortissement accéléré“ wird Investoren demnach ermöglicht, einen nicht stattfindenden Wertverlust in der Steuererklärung abschreiben zu lassen. Da der Werteverlust prozentual festgelegt wird, ist die abzuschreibende Summe aufgrund der hohen Immobilienpreise extrem hoch. Das kann sogar dazu führen, dass die zu versteuernden Mieteinnahmen negativ sein können. Bei Immobilien, die über einen längeren Zeitraum in der Hand eines Vermieters bleiben, kann es sogar vorkommen, dass über mehrere Jahrzehnte hinweg die gesamten Investitionskosten steuerlich abgesetzt werden können.

Der ehemalige Direktor der Steuerverwaltung Guy Heintz ist Mitglied im Thinktank „Improof“ der Luxemburger Arbeitnehmerkammer und hat dem Tageblatt eine Beispielrechnung mit der derzeitigen Abschreibungsrate von vier Prozent vorgelegt.  

Als Grundlage für das Rechenbeispiel dient eine Immobilie im Wert von einer Million Euro, die einen jährlichen Mietertrag von 50.000 Euro einbringt. Im vorliegenden Beispiel setzt sich der Kaufpreis aus 400.000 Euro Grundstückspreis und 600.000 Euro Wohnimmobilie zusammen. Daraus ergibt sich mit dem derzeitigen „Amortissement accéléré“ von vier Prozent eine Abschreibungssumme von 24.000 Euro. Der Prozentsatz wird nur auf die Bausubstanz verrechnet und nicht auf das Grundstück. Zusätzlich profitiert der Investor noch vom „Abattement immobilier spécial“, der in diesem Fall bei 6.000 Euro liegt (ein Prozent des Einkaufspreises). Angenommen, dass in etwa 20.000 Euro Schuldzinsen mit einberechnet werden, kann die eine theoretische Jahresmiete von 50.000 Euro steuerlich abgeschrieben werden. Rechnet man noch weitere diverse Ausgaben hinzu, kommt in den meisten Fällen sogar ein negativer versteuerbarer Mietertrag raus.

Beispielrechnung: „Amortissement accéléré“

Kaufpreis der Immobilie und Grundstück: 1.000.000 Euro
Wert Immobilie: 600.000  Euro
Wert Grundstück: 400.000 Euro
Jährliches Mieteinkommen: 50.000 Euro
„Amortissement accéléré“: 600.000 * 4% = 24.000 Euro
„Abattement immobilier spécial“: 600.000 * 1% = 6.000 Euro
Schuldzinsen (können je nach Zinslage variieren): 20.000 Euro

Gerechnet über fünf Jahre, kann somit eine Gesamtsumme von 120.000 Euro steuerlich abgesetzt werden. Mit der Regelung, die vor 2021 in Kraft war (sechs Prozent über sechs Jahre), hätte für die gleiche Immobilie sogar eine Summe von 216.000 Euro abgesetzt werden können.

18 Jahre ohne Effekt

Das „Amortissement accéléré“ wurde erstmals 2002 mit der Begründung, Investitionen in Immobilien fördern zu wollen, eingeführt. Die Dreierkoalition DP-LSAP-„déi gréng“ hat das „Amortissement accéléré“ wieder abgeschwächt. Die Maßnahme habe ihren Zweck – durch mehr Investitionen ein Mehr an Wohnraum zu schaffen – nicht erfüllt. „A wann den Amortissement accéléré hätt sollen en Instrument sinn, fir d’Offer vu Logementer ze fërderen – ça se saurait an da bräichte mer am Fong geholl keng aner Mesuren ze huelen“, erklärte der damalige Finanzminister Pierre Gramegna in einem mittlerweile viel zitierten Satz im Chamber-Plenum. Und: „Et ass eng Mesure, déi gutt ugeduecht war, mee där hiren Effet limitéiert war.“ Zustimmung erhielt der DP-Finanzminister damals nicht nur aus den Reihen von LSAP und „déi gréng“, auch die CSV stimmte dem zu. Die damalige Fraktionsvorsitzende Martine Hansen meinte, dass das Herabsetzen die Spekulation verhindern und zusätzlich Steuereinnahmen generieren würde.

Dabei muss beachtet werden, dass bei der Einführung des „Amortissement accéléré“ im Jahr 2002 eine Zinslage zwischen fünf und sieben Prozent vorherrschte. Als das „Amortissement accéléré“ 2021 abgeschafft wurde, lagen die Zinsen zwischen einem und zwei Prozent, was dazu führte, dass das „Amortissement accéléré“ für Investoren deutlich profitabler war als dies bei der Einführung der Maßnahme angedacht war. Dennoch waren sich alle Parteien beim Abschwächen des „Amortissement acccéléré“ einig, dass das eigentliche Ziel, nämlich mehr Wohnraum zu schaffen, verfehlt wurde. „18 Jahre nach ihrer Einführung wird festgestellt, dass diese Maßnahme (in Kombination mit anderen Faktoren) nicht ausreichend wirksam war, da das Angebot an (Miet-)Wohnungen immer noch defizitär ist“, heißt es in einem Sitzungsprotokoll des zuständigen Parlamentsausschusses im Oktober 2020.