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Unter dem Teppich

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Vergangene Woche geschah Unerhörtes.

Die Apess – zwar nicht die größte Lehrergewerkschaft, aber immerhin eine traditionsbewusste Interessenvertretung des Sekundarschulpersonals – lehnte sich weit aus dem Fenster und gab während einer Pressekonferenz bekannt, was sie dem Bildungsminister Claude Meisch und somit der neuen Regierung bereits im Januar vorgeschlagen hatte: einen Verzicht auf die im Rahmen des öffentlichen Dienstes ausgehandelten finanziellen Verbesserungen.

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Keine einmalige Prämie von 0,9 Prozent zum 1. Juli (die wegen technischer Verzögerung bekanntlich erst später ausgezahlt werden soll) und keine Erhöhung des Punktwerts um 2,2 Prozent zum 1. Januar 2015 (also eine Gehaltserhöhung, von der die Angestellten der Privatindustrie in den meisten Fällen zurzeit nur träumen können). Als Gegenleistung verlangt die Apess nicht mehr und nicht weniger als den Rückzug der vorliegenden, von den Ministern Biltgen und Modert der früheren Regierung ausgehandelten Reform des öffentlichen Dienstes; bei dieser vor allem – aber nicht nur – das Bewertungssystem von Beamten, das auch für die Lehrerschaft gelten soll. Wie Pädagogen bewertet werden sollen, ist übrigens auch dem Minister für Erziehungsfragen noch nicht ganz klar, wie er am Samstag in einem Tageblatt-Interview unterstrich.

Doch auch die allgemeine wirtschaftliche Lage des Landes wurde von den Apess-Sprechern als Ursache für den angedachten Verzicht genannt, um den Schritt zu erklären, der eigentlich ein syndikalistisches „no-go“ ist. Die Stammtische (die heute vermehrt Facebook und Twitter heißen) dürfte es freuen, denn sie wussten schon immer, dass die beim Staat zu viel verdienen.

Verträge einhalten, auch wenn es wehtut

Nun hat die Regierung bereits ihre Absicht bekundet, unterschriebene Verträge einhalten zu wollen, somit auch den Gehälter- und Reformvertrag des öffentlichen Dienstes (wenn denn mal alle Einwände des Staatsrates beseitigt sind). Das Manöver der Apess dürfte dennoch für einige Aufregung sorgen.

Dies besonders in den neuen Büroräumen der CGFP, der die Apess durch jahrelanges Prozessieren vor dem Verwaltungsgericht einen Sitz in der Berufskammer der „Fonction publique“ abgenommen hat und die zurzeit intensiv damit beschäftigt ist, das Image der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu verteidigen.

Die stärkste Interessenvertretung der Angestellten des Staates muss sich derzeit darum bemühen, zu erklären, dass die jüngst aufgedeckten Dysfunktionen in Verwaltungen auf das unlautere Verhalten Einzelner zurückzuführen seien und die Luxemburger Staatsbeamten durch die Bank kompetent, professionell und lauter ihrer Arbeit nachgehen, die guten Arbeitsbedingungen und die anstehende Gehaltserhöhung, die schließlich von allen Steuerzahlern finanziert wird, somit berechtigt seien.

Dies fällt ihr momentan nicht leicht. Fast täglich wurden vergangene Woche neue Fälle bekannt, bei denen Beamte (auffallen tun besonders die sogenannten hohen Beamten) ihre Kompetenzen überschritten oder, wie der jüngste Fall vom Freitag offenbarte, während Jahren überhaupt nicht mehr zur Arbeit erschienen und dennoch regelmäßig ein Direktorengehalt bezogen.

Dass diese Fälle nun bekannt wurden, hat offensichtlich mit dem Regierungswechsel zu tun: Arrangements aus der Vergangenheit (auch dies ein Aspekt des CSV-Staates?) gelten im Licht der neuen Betrachtung nicht mehr, ja werden als illegal entlarvt.

Wir glauben daran, dass die meisten der staatlich beamteten Menschen in Luxemburg ihrer Arbeit in einer Weise nachgehen, die ihrem Status entspricht, und unsere persönliche Erfahrung mit den Behörden ist – sofern sie nicht von einem verkrusteten Bestimmungskorsett an der Entfaltung gesunden Menschenverstandes gehindert werden – eine durchwegs positive. Dennoch besteht das Risiko, dass der öffentliche Dienst in der aktuellen Krisenzeit zum Sündenbock wird.

Gerade deshalb ist es im ureigenen Interesse des Staates und seiner Beamten, dass alle illegalen Vorgehensweisen schnell aufgedeckt werden.

Besonders unter den Teppichen sollte sorgsam nachgeschaut werden: Es ist eine Frage des Vertrauens der Bürger in den Staat.