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25 Jahre CIGL Kayl-Tetingen „Es ist wichtig, den Menschen das Gefühl zu vermitteln, dass sie gebraucht werden“

25 Jahre CIGL Kayl-Tetingen  / „Es ist wichtig, den Menschen das Gefühl zu vermitteln, dass sie gebraucht werden“
Der „Léiergoart“ des CIGL Kayl-Tetingen: Dort werden Werte wie Natur- und Umweltschutz vermittelt Foto: Editpress/Julien Garroy

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Vor 25 Jahren wurde das „Centre d’initiative et de gestion local“ (CIGL) Kayl-Tetingen gegründet. Am Donnerstag wird gefeiert. Was sich hinter dem etwas sperrigen Begriff versteckt, war von Anbeginn an die Idee, Menschen dabei zu helfen, zurück in die Arbeitswelt, in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt, zu finden. Bekannt wurde das CIGL unter dem Begriff „Beschäftigungsinitiative“ – eine Bezeichnung, die die Gründerväter und -mütter stets vehement zurückwiesen. Denn die CIGL sind weit mehr als ein bloßes Instrument, um Menschen ohne Arbeit lediglich zu beschäftigen. 

Unser Gespräch findet in den CIGL-Verwaltungsräumen in der Rümelinger Großstraße statt. Von hier aus werden die CIGL Rümelingen und Kayl-Tetingen geleitet, die administrativen Arbeiten erledigt. Die Zentrale ist nach dem langjährigen OGBL-Präsidenten John Castegnaro, geistiger Vater des Netzwerks „Objectif plein emploi“ (OPE), benannt. Die CIGL verstanden sich als lokale Sektionen des vor einigen Jahren aufgelösten OPE, dessen erste Sektion 1997 in Castegnaros Heimatstadt Rümelingen ins Leben gerufen wurde. Ein Jahr später folgte das CIGL Kayl-Tetingen. Erster Verwaltungsratspräsident in Kayl war der damalige Bürgermeister Jules Wilhem. Ihm folgte John Lorent. Den beiden CIGL-Pionieren sollten landesweit weitere folgen. 

20 Prozent

Romain Daubenfeld: „Die ADEM macht es sich einfach. Damit Personen aus ihren Statistiken verschwinden, wodurch die Arbeitslosenzahl gedrückt wird, schickt man sie zu den CIGL.“
Romain Daubenfeld: „Die ADEM macht es sich einfach. Damit Personen aus ihren Statistiken verschwinden, wodurch die Arbeitslosenzahl gedrückt wird, schickt man sie zu den CIGL.“ Foto: Editpress/Julien Garroy

Rund 500 Personen durchliefen die Strukturen des Kayl-Tetinger CIGL – Personen, die bislang wegen mangelnder Qualifikation oder körperlicher Gebrechen keine Chance auf eine Anstellung in einem Betrieb hatten. Von ihnen fanden 102 zurück auf den ersten Arbeitsmarkt. Das sind rund 20 Prozent. Doch das reicht dem aktuellen Verwaltungsratspräsidenten Romain Daubenfeld nicht. Ziel müsse es sein, jede Person fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Dazu werden den „Nutznießern“ oder „Berechtigten“ („bénéficiaires“), so die hier gängige Sprachregelung, u.a. Sprachkurse angeboten, berufliche Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt. 

Die Kurse werden intern oder von externen Einrichtungen angeboten. Standard ist die laut Abkommen mit dem Arbeitsministerium obligatorische Basisausbildung, sagt Gilles Parasch, Direktionsbeauftragter bei den CIGL Kayl-Tetingen und Rümelingen. „Dabei lernt man, wie man sein Bewerbungsschreiben samt Lebenslauf aufstellt, wie man sich bei der Jobsuche anstellen soll“, ergänzt Ragbet Hamza, stellvertretender Direktionsbeauftragter beim CIGL Kayl-Tetingen. „Beim Kompetenzgespräch muss jeder angeben, welches Ziel er sich setzt und welche beruflichen Fähigkeiten er erwerben möchte.“ Niemand wird in eine bestimmte Richtung gedrückt. Ausgehend von diesem Berufsprojekt werden passende Lehrgänge vorgeschlagen. 

„Unser prioritäres Ziel bei der Gründung – die Vollbeschäftigung – haben wir noch nicht erreicht. Unsere Erfolge bei der Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt sind nicht gut“, sagt Daubenfeld unumwunden. Letztes Jahr konnte man zwar zehn Personen platzieren, ein gutes Jahr demnach. Aber 20 Prozent in 25 Jahren ist nicht gut, auch wenn sich die Erfolgsquote in den letzten Jahren verbessert hat. 

Betreuungspersonal muss gut ausgebildet sein

Die Ursachen für die bescheidenen Erfolge? Sind es die Veränderungen in der Arbeitswelt, die immer weniger Jobs für minderqualifizierte Personen bereithält? „Vieles hängt auch mit dem Profil der Personen zusammen, die die Arbeitsagentur ADEM uns vermittelt“, sagt Gilles Parasch. Da seien beispielsweise Personen mit gesundheitlichen Problemen dabei. Die Aussichten auf eine Arbeitsstelle sind gering. „Die ADEM macht es sich einfach. Damit Personen aus ihren Statistiken verschwinden, wodurch die Arbeitslosenzahl gedrückt wird, schickt man sie zu den CIGL“, ereifert sich Romain Daubenfeld. „Da sollen Menschen Gartenarbeiten machen und dürfen keine fünf Kilos heben.“ Doch das CIGL ist zur Aufnahme aller von der ADEM vermittelten Personen verpflichtet. Natürlich bemühe man sich um ihre berufliche Qualifikation, aber die Möglichkeiten seien von Anfang an begrenzt. 

Gilles Parasch: „Wir bekommen Personen, die am weitesten vom Arbeitsmarkt entfernt sind“
Gilles Parasch: „Wir bekommen Personen, die am weitesten vom Arbeitsmarkt entfernt sind“ Foto: Editpress/Julien Garroy

„Wir bekommen Personen, die am weitesten vom Arbeitsmarkt entfernt sind“, so Parasch. Aber das war ja die eigentliche Existenzberechtigung des OPE bzw. CIGL – dank öffentlicher Gelder Menschen aufzufangen, die sonst keine Chance haben? „Ja, stimmt“, sagt Daubenfeld. „Wir müssen sie fit für den Arbeitsmarkt machen. Andererseits sind die CIGL Kayl-Tetingen und Rümelingen aber auch nichts anderes als mittelgroße Unternehmen.“ 

Wohl werden die CIGL aus staatlichen und kommunalen Geldern finanziert, wobei der Staat zwei Drittel, die Gemeinde ein Drittel übernimmt – dafür standen dieses Jahr rund 910.000 Euro im Budget bereit –, doch sie müssen sich zusätzliche Einnahmen selbst erwirtschaften, falls das Geld nicht reicht. Das CIGL Kayl-Tetingen verdient sich etwa durch die geleistete Nachbarschaftshilfe dazu. Das von der öffentlichen Hand gestellte Budget deckt die Ausgaben für Betreuer und Nutznießer, wobei ein Betreuer auf fünfeinhalb „Berechtigte“ kommt, so der aktuell gültige Verteilungsschlüssel.

Was hat sich in den 25 Jahren verändert? „Immer mehr Menschen unterschiedlicher Nationalität kommen zu uns. Unsere Arbeit wurde komplexer und vielfältiger“, heißt es seitens der CIGL-Verantwortlichen. Beschäftigte man sich früher vor allem mit Nachbarschaftshilfe wie Rasenmähen oder Hecken zurückschneiden, so entwickelt man heute zusammen mit den Gemeindeverantwortlichen Projekte im Interesse des Allgemeinwohls. Auch das CIGL müsse sich den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt entsprechend umstellen. Dabei betont Daubenfeld mehrmals die Bedeutung einer guten Ausbildung des Betreuungspersonals. Sie müssten gut ausgebildet sein, damit sie ihr Wissen gut an die „bénéficiaires“ weitergeben können. Und dieses Wissen sei nun mal ein anderes als vor Jahren. 

Ragbet Hamza: „Unsere Arbeit wurde komplexer und vielfältiger“
Ragbet Hamza: „Unsere Arbeit wurde komplexer und vielfältiger“ Foto: Editpress/Julien Garroy

Welche Wünsche man beim CIGL an die neue Regierung hat? Der aktuelle Verteilungsschlüssel 1 zu 5,5 könnte reduziert werden, so unsere Gesprächspartner. Vor rund zehn Jahren lag er bei 1 zu 2,5. Es dürfe zu keinen Verschlechterungen kommen, meint Daubenfeld allgemein. „Damit wir gut aufgestellt sind, um unseren Kunden gute Leistungen zu erbringen. Als OGBL wollen wir keine Austeritätspolitik“, betont er. Ganz zum Schluss unseres Gesprächs weisen Parasch und Hamza darauf hin, dass es wichtig ist, den Menschen das Gefühl zu vermitteln, dass sie gebraucht werden, dass sie etwas leisten können.

CIGL Kayl-Tetingen

Das CIGL Kayl-Tetingen zählt derzeit 66 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Nutznießer werden mit einem auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag angestellt. Sollten sie vor Ablauf der Frist eine neue Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt finden, können sie den Vertrag kündigen. Zwischendurch können sie ein Praktikum bei Privatunternehmen machen, das vom VIGL finanziert wird.

Zu den vielseitigen Tätigkeiten gehört u.a. die Nachbarschaftshilfe, die sich an Personen über 60 Jahren und Personen mit körperlichen Behinderungen richtet. Die CIGL-Leute erledigen kleinere Reparaturarbeiten, mähen den Rasen, schneiden die Hecken, putzen die Wohnung – das alles für nur elf Euro die Stunde. Im Auftrag der Gemeinde kümmern sie sich um das Stadtmobiliar wie die Sitzbänke in den Parks und entlang der Wanderwege. Sie pflegen Grünflächen in der Gemeinde, säubern den Kayl-Bach in regelmäßigen Abständen.

Gemeinsam mit der Gemeinde wurden und werden größere Projekte realisiert. 2018 wurde der Bremsberg der Tetinger Grube Langenacker feierlich übergeben. Das CIGL hatte diese technische Anlage zum Transport des Eisenerzes aus höher gelegenen Abbauorten ins Tal renoviert und teilweise neu aufgebaut. Sie ist Teil des Wanderwegs „Minettswee“, der ebenfalls vom CIGL realisiert wurde. Weitere Großprojekte sind der „Léiergoart“ für Schüler und Schülerinnen „op der Hesselsbunn“ in Tetingen, die Komplettsanierung der Verlademauer Langenacker samt dort stehender Zugmaschine und das Anlegen des Gemeinschaftsgartens „Biermecht“ in Kayl. Vom CIGL erstellt wurde auch der Barfußpfad im Park Ouerbett, an dessen geplanten Erweiterungsarbeiten er ebenfalls teilnehmen wird. Derzeit wird der Spielplatz in der rue de Volmerange in Tetingen instandgesetzt. Seit 2008 betreibt das CIGL die Internetstube Kbit’s Place, seit 2013 in der Kayler rue Jos Müller.

Der Barfußpfad im Park Ouerbett
Der Barfußpfad im Park Ouerbett Foto: Editpress/Julien Garroy