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Sieger und Verlierer

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Der designierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker führt in diesen Tagen Gespräche mit den politischen Gruppierungen im Europäischen Parlament über seine politischen Vorhaben und die politische Ausrichtung der künftigen EU-Kommission.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Es geht darum, die Zustimmung der Fraktionen für die in der kommenden Woche angesetzte Wahl im Straßburger Plenum zu erhalten. Die er wohl auch bekommen wird.

Die Politik hat sich gegenüber anderen Interpretationen der einschlägigen Passagen des Lissabon-Vertrages in Sachen Nominierung des EU-Kommissionspräsidenten durchgesetzt. Doch der britische Premierminister David Cameron hat trotzdem bekommen, was er wollte. Jedenfalls den Anfang davon. Hätten die Sozialdemokraten am Ende des Tages bei den Europawahlen die Nase vorne gehabt, dem Briten wäre so manches eingefallen, was er gegen Martin Schulz als EU-Kommissionspräsidenten hätte ins Feld führen können. Und gegen den liberalen Spitzenkandidaten und überzeugten Föderalisten Guy Verhofstadt ohnehin. Hauptsache dagegen sein, um den Preis in die Höhe zu treiben.

Weitgehendes Entgegenkommen

Was denn auch gelungen ist. David Cameron, der angetreten ist, um Kompetenzen aus Brüssel zurück nach London zu holen, hat von seinen 27 Kollegen im Europäischen Rat sozusagen eine Lizenz zum „cherry picking“ erhalten. Eben das, wofür Großbritannien von Integrationsbefürwortern immer wieder kritisiert wird, wenn London sich wieder einmal Ausnahmen aushandelt und an bestimmten Gemeinschaftspolitiken nicht teilnehmen will. Denn in den Schlussfolgerungen des letzten EU-Gipfeltreffens wurde festgelegt, „dass das Konzept einer immer engeren Union für verschiedene Länder verschiedene Wege der Integration zulässt“ und die „Wünsche“ jener „zu achten“ seien, die halt keine tiefere Integration wollen. Also ein Europa à la carte für Großbritannien, aber auch alle anderen EU-Staaten, die das anstreben. Somit hat Cameron im Juni zumindest einen Teilsieg eingefahren. Denn er kann nun behaupten, dass London nicht mitziehen muss, wenn weitere Kompetenzen nach Brüssel verschoben werden sollten.

Doch auch Jean-Claude Juncker hat längst erklärt, dass er als Kommissionspräsident auf die Anliegen Großbritanniens eingehen wolle und einen „fairen Deal“ mit den Briten anstrebe, der der „besonderen Rolle“ des Landes in der EU nachkomme. Die Briten sind eine von fünf Prioritäten des künftigen Kommissionspräsidenten, neben Themen wie der Energiepolitik oder Wachstum und Beschäftigung. Die „Niederlage“, die David Cameron beim letzten EU-Gipfel hinnehmen musste, ist für ihn demnach leicht zu verkraften.

Sehr schwierig aber wird es für den Europäischen Rat
in seiner Gesamtheit, das bei der Nominierungsprozedur des EU-Kommissionspräsidenten verlorene Terrain wieder aufzuholen. Ob es die 28 schaffen werden, das Rad vor die Zeit der „Spitzenkandidaten“ – mittlerweile ein neues europäisches Wort – zurückzudrehen, darf bezweifelt werden. Die Deutungshoheit darüber, was es bedeutet, dass Wahlen zu berücksichtigen sind, haben sie verloren. Zwar haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs in ihren letzten Gipfelbeschlüssen vorgenommen, „über das Verfahren der Ernennung des Präsidenten der Europäischen Kommission für die Zukunft – unter Beachtung der Europäischen Verträge – (zu) beraten“.

Doch werden sie kaum hinter die jetzige Formel zurückgehen können, wenn sie sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen wollen, eine demokratische Auswahl zu verhindern. Sie könnten aber versuchen, bei ihren Beratungen dem Spitzenkandidaten einen offiziellen und formellen Charakter zu verleihen, damit beim nächsten Mal die Dinge klar sind.