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Luxemburg unter Druck

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Halb EU-Europa hält Luxemburg inzwischen für einen Schmarotzerstaat, der sich unverschämt zulasten der andern bereichert.

Insbesondere aus dem großen Deutschland schlägt dem kleinen Nachbarn eine Feindseligkeit entgegen, die an Hass grenzt. Die Vorwürfe richten sich in erster Linie gegen die angeblichen und die realen Steuervorteile, die hier ansässige Firmen und hier platziertes Kapital genießen.

Logo" class="infobox_img" />Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Merkel (Welche Merkel? Die CDU-Chefin? Die Kanzlerin?) wolle Juncker nicht für einen EU-Spitzenposten, ließ der Spiegel seine Online-Leserschaft dieser Tage wissen. Man darf davon ausgehen, dass derartige Gerüchte immer gezielt gestreut werden. Was bezweckte Merkels Entourage? Eine Diskussion über Junckers Qualitäten und Mankos, die sowieso sattsam bekannten? Oder eher die Infragestellung Luxemburgs als Ursprungsland für leitende Europäer?

Wir neigen zur Annahme der zweiten Hypothese. Auf spiegel.online entfachte die Meldung nämlich einen „shit storm“ gegen Luxemburg, wie man ihn von deutscher Seite bisher nur gegen Griechenland kannte.

Einige Zitate dürften reichen, um aufzuzeigen, wie rau, wie unflätig der deutsche Umgangston wird, wenn das Stichwort Luxemburg fällt: „dieses kriminelle Steuerparadies“, „Luxemburger Steuerparasitentum, eine Umverteilung zulasten Deutschlands“, „Luxemburg hat sich als größter Schurkenstaat in der EU entwickelt“, „dreistellige Milliardenbeträge an Steuereinnahmen stiehlt Luxemburg alleine Deutschland“, „Steuerhinterziehungsparadies“, „Schädlichkeitsrang 2 nach der Schweiz“, „Schwarzgeldländchen“, „kriminelles Finanz- und Bankensystem“, „Schlupfloch“, „Pulverfass der Eurozone“, „zieht jedem Steuerzahler der EU dutzende Euros aus der Tasche“, usw., usf.

Solche Pauschalurteile sind natürlich das gewollte Ergebnis einer langfristig angelegten Vergiftung des politischen Klimas in Europa. Deutschland hat sich aufgrund seiner wirtschaftlichen Leistung, die z.T. auf der schieren Ausbeutung billiger Arbeitskräfte beruht, zum Modell für die Union ernannt, sehr zum Gefallen der deutschen Wähler, denen gebetsmühlenartig eingetrichtert wurde, sie wären die Zahlmeister Europas – was objektiv nicht stimmt: Andere zahlen pro Kopf mehr an die Union, andere nehmen im Proporz mehr Flüchtlinge auf, andere leisten höhere Entwicklungshilfe, andere steuerten, relativ gesehen, mehr zur Rettung der Banken in Griechenland, Spanien und Portugal bei.

Aber mit sachlichen Argumenten kommt man gegen die politisch gesteuerte Meinungsmache nicht an. Was nützte es, zu erklären, Luxemburg habe ein Anrecht auf steuerliche Souveränität, solange diese nicht im Widerspruch zu europäischen Verträgen steht?

Auf den Anti-Luxemburg-Kurs Deutschlands werden nach und nach viele Regierungen einschwenken, die ihre Steuerzahler nach jahrelang verfehlter Haushaltspolitik zusätzlich belasten müssen. In Frankreich wird die Luxemburg-Kritik immer harscher; Britanniens Cameron nutzt die Gunst der Stunde, um Luxemburg gegenüber der Londoner City zu schwächen; unsere guten belgischen Freunde lassen nichts unversucht, um „ihr“ Geld heimzuzwingen.

Tempi passati

So ist die Bilanz nach der glorreichen Zeit unserer EU-Koryphäen: Luxemburg erscheint als ein lästiges Überbleibsel aus der Gründerära, in der es keine „großen“ und „kleinen“ Europäer gab, sondern nur gleichberechtigte Mitglieder.
Tempi passati. Die neue Regierung wird es unter diesen Umständen nicht leicht haben, den Finanzsektor und die Steuerhoheit Luxemburgs zu verteidigen. Gut, dass Mehrheit und Opposition sich zumindest darüber einig sind.

Am Ende stehen die Unabhängigkeit, die Eigenstaatlichkeit auf dem Spiel. Luxemburg kann nicht, wie die großen EU-Staaten, aus zahlreichen Wirtschaftstöpfen schöpfen. Es ist halt so klein, wie die Großmächte es einst schufen.

Und weil dem so ist: Wünschen wir uns doch alle viel Glück im neuen Jahr. Wir werden es brauchen.