Von der Krim- und der Irak-Krise befeuert, wird alles versucht, um die Rolle der Bundeswehr neu zu definieren. Besonders die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Bundespräsident Joachim Gauck haben sich in Szene gesetzt, um der Bundeswehr ein attraktiveres Image beziehungsweise eine gewichtigere Rolle zu verleihen. Die Ministerin sieht sich in der Pflicht, die Außenwirkung der Armee durch die Kreation einer „Wohlfühloase“ zu modernisieren. Aus diesem Grund hat sie zu Beginn dieses Jahres einen Reformkatalog mit 29 Bestimmungen vorgestellt. Dieser sieht bei einem Kostenpunkt von 100 Millionen Euro unter anderem den Ausbau der Kinderbetreuung sowie elementare Neuerungen wie die Anschaffung von Flatscreens vor. Joachim Gauck führt die Merchandising-Aktion von der Leyens fort, indem er öffentlich eine bedeutendere und vor allem aktivere Rolle für die Bundeswehr herbeisehnt. Gauck plädierte im Juni dieses Jahres für eine Ausweitung der Auslandseinsätze des deutschen Militärs mit dem Hinweis auf die gestiegene internationale Verantwortung Deutschlands im Kampf für die Menschenrechte.
" class="infobox_img" />Damien Valvasori dvalvasori@tageblatt.lu
Es scheint, als hätte man den 100. Jahrestag des Beginns des Ersten und den 75. des Beginns des Zweiten Weltkriegs in Deutschland unreflektiert verstreichen lassen. Da wird die Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer familienfreundlichen und einsatzfreudigen Interventionstruppe für Menschenrechte umdeklariert. Von der historisch-kulturellen militärischen Zurückhaltung Berlins scheint nicht mehr viel übrig zu sein.
Hohe Kosten, bescheidene Ergebnisse
Es kommt einem vor, als hätten von der Leyen und Gauck die Folgen der militärischen Interventionen des Westens im Namen der Menschenrechte oder des Weltfriedens vergessen: hohe Kosten und bescheidene Ergebnisse.
Paradebeispiele sind in diesem Zusammenhang die Militäreinsätze in Afghanistan und im Irak. Beide Staaten stehen auch über zehn Jahre nach der Intervention des Westens vor einem Trümmerhaufen. Mehr als 100.000 Tote und die Entstehung einer „Wohlfühloase“ für islamische Extremisten sind das Ergebnis. Eine militärische Befriedung sieht anders aus.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Bundeswehr ihre Auslandseinsätze nicht besser auf Hilfsflüge mit Medikamenten und Lebensmitteln beschränken sollte. Führt man diesen Ansatz einen Schritt weiter, richtet sich das Hauptaugenmerk der Armee in Zukunft nicht mehr auf die Kriegsfelder dieser Welt, sondern auf die Bereiche Zivil- und Katastrophenschutz, und dies national wie international – sofern man von keinem anderen Staat auf nationalem Territorium direkt angegriffen wird.
Den Ansatz, sich vornehmlich auf den Zivil- und Katastrophenschutz zu fokussieren, verfolgen die Österreicher neuerdings – wenn auch aus rein finanziellen Gründen. Aufgrund von Sparzwängen hat sich die Regierung in Wien nämlich dazu entschieden, das Budget des Militärs massiv zu senken. Weil man bis 2016 das Nulldefizit erreichen will, wird man den Anteil des Verteidigungsbudgets am Bruttonationalprodukt auf unter 0,6 Prozent herabsetzen. Einzig der Katastrophenschutz und die Krankentransporte würden weiterhin gesichert, hieß es letzte Woche. Wobei im Interesse der Gesellschaft darauf geachtet werden muss, gerade in diesen Bereichen dem „Kaputtsparen“ aus dem Weg zu gehen, denn das Militär wird in der Bevölkerung vor allem für seine humanitären Einsätze gebraucht und geschätzt. So hätte die Jahrhundertflut aus dem Jahr 2002 in Deutschland und Österreich wohl ohne das Eingreifen des Militärs mehr als 45 Menschenleben gekostet und für einen höheren materiellen Schaden gesorgt.
Fokussiert sich die Bundeswehr auf den Zivil- und Katastrophenschutz, werden plumpe Werbeaktionen wie die von Ursula von der Leyen zumindest in diesem Maße nicht mehr nötig sein. Will man das Ansehen der Armee stärken und einen maximalen gesellschaftlichen Nutzen aus ihr ziehen, braucht man keine Flatscreens und keinen Einsatz in Bagdad. Man muss sie einfach weg vom Kriegsfeld und hin zum Überschwemmungsgebiet führen.
(Damien Valvasori/Tageblatt.lu)
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