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Grândola, Vila Morena

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Vor 40 Jahren zogen eine halbe Million Menschen durch die Straßen Lissabons und legitimierten damit die sogenannte Nelkenrevolution, mit der junge Offiziere einige Tage vorher das faschistische Regime weggefegt hatten, Mosambik und Angola fanden ihre Unabhängigkeit wieder; Portugal wurde ein demokratisches europäisches Land, ebenso wie Spanien einige Jahre später.

Europa entwickelte sich, wurde wirtschaftlich stärker und wuchs territorial. Allerdings blieb das soziale Element weitgehend auf der Strecke.

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Im Anschluss an die Finanz- und Wirtschaftskrise, die seit 2008 den Kontinent fest im Würgegriff hat und die durch eine falsche austeritäre Politik der beiden Kommissionen Barroso verschärft wurde.

Acht Millionen Arbeitslose kamen in den Krisenjahren zu den 20 Millionen ohne Beschäftigung: Europa hat Mühe, sich wieder aufzurichten, die falsche Politik drängt Millionen in prekäre Arbeitsverhältnisse und in Armut, während die rechten Parteien, allen voran die EVP mit Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker, weiter an der Sparpolitik festhalten wollen.

Nun ist es an den Bürgern („O povo é quem mais ordena“, um noch einmal das portugiesische Revolutionslied zu zitieren), am 25. Mai gegenzusteuern und so eine andere, eine soziale Politik, eine Politik der nützlichen Investitionen (wie vom EGB vorgeschlagen) einzufordern und jene, die es offensichtlich nicht können, in die Wüste zu schicken.

Kein Putsch, aber ein Wandel

In diesem Sinne sind auch die diesjährigen 1.-Mai-Feiern zu sehen. Es ist kein Zufall, dass gestern beim Fest der Arbeit und der Kulturen, das von ASTM, ASTI und OGBL nun schon zum neunten Mal im CCR Neumünster ausgerichtet wurde, auch eine Fotoausstellung über den 1. Mai 1974 gezeigt wurde.

Ein Militärputsch, so formulierte es André Roeltgen gestern (Jean-Claude Reding äußerte sich am 29. Mai in Kayl ähnlich), sei zwar nicht notwendig, ein demokratisch herbeigeführter Wandel hingegen schon.

Etwa 80 Prozent der nationalen Gesetze, so wird geschätzt, sind mittlerweile EU-Vorgaben und -Direktiven, die in nationales Recht umgesetzt werden.

Zurzeit verhandelt die EU mit den USA über ein Freihandelsabkommen, das in der bislang bekannten Form weiter an den Rechten der Arbeiter sägt, das europäische Sozial- und Umweltstandards ad absurdum zu führen riskiert und das dem Vernehmen nach außerhalb der klassischen Gerichtsbarkeiten (mit einem speziell geschaffenen Gericht bei Streitfragen) funktionieren soll.

Bereits jetzt hat sich – auch in Luxemburg – eine breite Front gegen das Abkommen gebildet, eine Front, die mit Bekanntgabe der Details sicherlich noch wachsen wird (bislang wurde fast ausschließlich hinter verschlossenen Türen, abseits der Öffentlichkeit, verhandelt).

Es gibt demnach viele Argumente, den diesjährigen 1. Mai und die politischen Reden zu dem Tag ernst zu nehmen, denn auch in Luxemburg hat die rot-blau-grüne Regierung sich nicht nur Freunde gemacht.

Die 17.000 jungen Menschen, die gegen das neue Subsidiengesetz für Studierende protestierten, haben in diesem Zusammenhang ein erstes beeindruckendes Signal gesetzt.