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Retro 2021Europa schrumpft und die Preise steigen

Retro 2021 / Europa schrumpft und die Preise steigen
Eine hohe Inflationsrate ist kein vorgegebenes Schicksal, sie ist eine Folge der Geld- und Fiskalpolitik. Die EZB (auf dem Foto zu sehen: EZB-Präsidentin Christine Lagarde) konnte sich bislang trotz wachsender Inflation nicht zu einer Zinserhöhung durchringen. Foto: AFP/Thomas Lohnes

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Die beiden letzten Jahre waren keine guten für Europa. An allen Fronten ist der Staatenbund geschrumpft. Nicht nur durch den Austritt Großbritanniens und internen Streit über Rechtsstaatlichkeit. Dabei war es immer in Krisenzeiten, wo die Staatengemeinschaft große Schritte voran gemacht hat. Nicht jedoch in der Corona-Krise. Leider.

Fast zwei Jahre ist es bereits her, dass die Pandemie auf dem Kontinent ausgebrochen ist. Derweil hat die Gemeinschaft der Staaten es immer noch nicht hinbekommen, sich auf eine gemeinsame Reaktion zu einigen. Das Überqueren von innereuropäischen Grenzen ist wieder zu einem Abenteuer, zu einer Herausforderung mit vielen Fragezeichen, geworden. Jedes Land, ja jede Region, schreibt seine eigenen Regeln. Diese werden dann, gefühlt, täglich wieder geändert. Längst hat die Mehrheit der Bürger den Überblick verloren.

Die Regierenden verweisen mit Stolz auf das Wiederanziehen der Wirtschaft in diesem Jahr. Doch das ist keine Leistung. Der starke Aufschwung im nun abgelaufenen Jahr basiert vornehmlich auf zwei Faktoren: dem gestiegenen Konsum der Verbraucher, der im Vorjahr nicht hatte stattfinden dürfen, und auf den hohen Staatsausgaben, die durch Schulden finanziert werden.

Mit diesen Schulden wird dann ein Wachstum finanziert, das keine Verbesserungen im Leben der Bürger bringt. Trotz der vielen Ausgaben blieb das Armutsrisiko (etwa in Luxemburg) etwa gleich hoch, der Indikator des Wohlbefindens bewegt sich kaum. Das verfügbare Angebot an bezahlbarem Wohnraum hat nicht zugelegt und Urlaub wurde teurer.

Preise steigen immer schneller

Die allgemeine Nachfrage boomt derzeit so stark, dass die Unternehmen mit Lieferungen kaum noch nachkommen. Gestiegene Produktionskosten geben sie in der Form höherer Preise an die Verbraucher weiter. Die Inflation im Euroraum ist im November auf das bislang höchste Niveau seit Beginn der Messung im Jahr 1997 geklettert. Die Kaufkraft der Verbraucher geht zurück.

Laut Schulbuch müssten Europas „Währungshüter“ nun die Zinsen erhöhen, um die Preissteigerungen zu bremsen. Das will sie aber scheinbar noch immer nicht tun. Staaten, von denen sie Staatsanleihen im Wert von vielen Milliarden Euro gekauft hat, könnten durch so einen Schritt in die Bredouille geraten. Wahrscheinlich fragen sich die Notenbanker, ob es überhaupt noch möglich ist, den Hahn zuzudrehen …

Macht die Zentralbank aber weiter mit der aktuellen Politik des billigen Geldes, dann werden die Preise (für Immobilien, Waren und Dienstleistungen) weiter steigen.

Europa: Ein Club ohne gemeinsame Regeln?

Zusammen mit dem Euro wurde ursprünglich ein Stabilitätspakt eingeführt, der die Stabilität der Währung absichern sollte. Die Regeln wurden im Rahmen der Corona-Krise jedoch ausgesetzt. Ob sie je wieder eingeführt werden? Und wie lange kann ein Klub, in dem alle Mitglieder auf das gleiche Konto zugreifen können, ohne gemeinsame Regeln funktionieren?

Dass die Staaten in Krisenzeiten einspringen müssen, ist klar. Alles andere würde zu tiefen Wirtschaftskrisen führen. Doch hatten, bereits in der Wachstumszeit vorher, die meisten Länder Europas das Sparen vergessen. In den Jahren 2009-2019 war die Summe der geliehenen Milliarden um stolze 35 Prozent angestiegen.

Die große Frage lautet: Wird eine solche Politik Folgen für die Zukunft haben? Laut Schulbuch müsste die Frage mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden: Mehr Geld für gleich viele Produkte bedeutet steigende Preise. Eine hohe Inflationsrate ist jedoch kein vorgegebenes Schicksal, sie ist größtenteils eine Folge der Geld- und Fiskalpolitik.

In einigen Ländern haben die Zentralbanken mit Gegensteuern begonnen. In der Eurozone nicht. Europas Währungshüter haben ihre Inflationsprognose für kommendes Jahr verdoppelt. Sie setzen jedoch darauf, dass alles nur vorübergehend sei. Als Verbraucher kann man jetzt nur hoffen, dass sie recht haben werden, und dass es nicht schlimmer kommt. Oder dass zumindest irgendwann das Überqueren der inner-europäischen Grenzen ohne Stress wieder möglich wird.

Die Regierenden verweisen mit Stolz auf das Wiederanziehen der Wirtschaft in diesem Jahr. Doch das ist keine Leistung.