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Der Rubel rollt

Der Rubel rollt
(AFP)

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Nobel geht die Welt zugrunde: Als der WM-Pokal am Sonntag im schicken Louis-Vuitton-Köfferchen ins Maracanã getragen wurde, da ergab sich Deutschland längst dem kollektiven Siegesrausch.

Zum vierten Mal wurden unsere Nachbarn Fußball-Weltmeister, und das noch nicht einmal unverdient.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Bei den Brasilianern dagegen gab es lange Gesichter. Zwar kann man sich am Zuckerhut über eine fast perfekte Organisation freuen, doch war der Preis dafür ein hoher, was auf lange Sicht mehr schmerzen dürfte als der fußballerische Offenbarungseid der „Seleção“. 8,5 Milliarden Euro kostete die WM die Brasilianer, allein die Ausgaben für die Sicherheit beliefen sich auf 630 Millionen Euro. Die befürchteten Massenproteste blieben aus, von Krawallen ist wenig überliefert.

In den Stadien jedenfalls krachte es nicht, davon kann man ausgehen, selbst wenn der Fußball-Weltverband FIFA heutzutage nur die Bilder in die Welt schickt, die zu einem großen Fußballfest passen. Alle Misstöne werden ausgeblendet, das ist man den Sponsoren anscheinend schuldig. Auch in dieser Hinsicht ist die FIFA zu neuen Ufern aufgebrochen. Noch nie zuvor war eine Weltmeisterschaft dermaßen bis ins kleinste Detail geplant wie diese. Es geht darum, Unwägbarkeiten so gut es geht auszublenden. Nichts soll das Fest stören. Dabei bleibt jegliche Spontanität auf der Strecke. Aus Sport wird ein Event nach US-amerikanischem Strickmuster. Eine ziemlich sterile Angelegenheit, die ein Event-Publikum ins Stadion zieht, das herzlich wenig mit dem Spiel am Hut hat und eher sich als irgendeine Mannschaft feiert. Selfies statt Anfeuerung.

Kommerzialisierung

Das passt zum neuen Ausmaß der Kommerzialisierung der WM. Neu waren in diesem Jahr u.a. die Video-Wechselwerbebanden, die noch mehr Sponsoren eine Sichtbarkeit garantieren. Dazu die schönen Auswechseltafeln im Stoppuhr-Look mit dem Schriftzug eines Schweizer Uhrenfabrikanten. Im Erschließen immer neuer Geldquellen ist die FIFA jedenfalls in neue Dimensionen vorgestoßen. Wobei die Frage „Wozu das alles?“ schon erlaubt sein sollte. Denn ob die FIFA nun zwei, drei oder vier Milliarden Euro durch die WM einnimmt, spielt im Grunde genommen keine Rolle.

Auf den Kosten sitzen bleibt derweil der Organisator, der dem Welt-Fußballverband zudem Steuerfreiheit garantieren muss. Und das Drama der Brasilianer ist noch nicht zu Ende, denn in zwei Jahren finden die Olympischen Spiele in Rio statt. Auch hier werden haufenweise Sportstätten gebaut, die nach den Spielen niemand mehr benutzt. Und vor allem muss der Organisator auch diesmal alles bezahlen, das Internationale Olympische Komitee ist zudem im Gegensatz zur FIFA (nach Schweizer Recht 4,5% auf den Reingewinn) als nicht-profitorientierte Organisation steuerfrei. Ein Unding, nicht nur aus Sicht des Organisators.

Die nächste Fußball-Weltmeisterschaft findet in Russland statt, in acht Jahren soll dann Katar Ausrichter sein. In Moskau steigt die Sorge um eine Kostenexplosion, ähnlich der von Sotschi. Die Olympischen Winterspiele sollen Russland insgesamt 38 Milliarden Euro gekostet haben. Über die irrwitzige Idee einer WM in der Wüste Katars ist im Grunde schon alles gesagt und geschrieben.

Dass das viele Geld die Werte des Sports pervertiert und für viele seiner Auswüchse wie Doping oder Spielmanipulationen verantwortlich gemacht werden kann, ist dabei unstrittig.

Was der „Mannschaft“ derzeit egal sein dürfte. Und auch den (vorsichtig) geschätzten 500.000 Fans beim Empfang heute in Berlin. Die werden größtenteils mit schwarz-rot-goldenen Fan-Utensilien eingedeckt sein. Der Rubel rollt, es ist Fußball!

(Philip Michel)