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Teufelskreis

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Eine Volkswirtschaft ist ein komplexes Gebilde und es ist völlig falsch, sie mit einem Privathaushalt oder einem Unternehmen zu vergleichen. Sie funktioniert eben anders. Das trifft auch auf die Sparpolitik zu.

Deshalb ist es völlig sinnlos, das Sparen der vorsichtigen Hausfrau auf die Wirtschafts- und Haushaltspolitik übertragen zu wollen. Dies zeugt nur entweder von einer ideologischen Verblendung oder einer gefährlichen Unwissenheit über das wahre Funktionieren einer Volkswirtschaft. Ist das Sparen in einem überschuldeten Privathaushalt oder Unternehmen absolut unausweichlich und hat es auch keinen direkten wesentlichen Einfluss auf die Einnahmen, so ist das bei Staaten völlig anders.

Wenn Staaten in ihrer Haushaltspolitik übermäßig sparen und das dazu noch in einer Periode schwachen Wachstums geschieht, dann hat das einen direkten und negativen Einfluss auf das Bruttoinlandsprodukt, das heißt auf die wirtschaftliche Entwicklung. Beispiele dafür sind jetzt klar vorhanden.

Griechenland spart und sinkt seit fünf Jahren schon in eine immer tiefere Rezession. Bis 2014 wird die griechische Wirtschaft um 25% geschrumpft sein, was die gesteckten Sparziele noch unerreichbarer macht. Für Spanien trifft eine ähnliche Entwicklung zu: Die Wirtschaftsleistung wird 2013 nochmals um die 1,5% sinken, bei einer Arbeitslosigkeit von mehr als 25% und einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50%. Muss man sich da nicht unbedingt fragen, wer denn da die Wirtschaft erneuern und die Schulden zurückbezahlen soll. Der Staat will sehr schnell Defizite abbauen, indem radikal Ausgaben gekürzt und Steuern erhöht werden.

Die Wirtschaft bricht dann zusammen, was dazu beiträgt, das Steueraufkommen weiter zu verringern und das Defizit im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt zu erhöhen. Das ist der Teufelskreis der aktuellen harten Austeritätspolitik.

Diese Entwicklung ist vielen Volkswirtschaftlern seit Keynes gut bekannt. Auch der frühere IWF-Chef Jacques de Larosière setzt sich für einen Defizitabbau ein, der die Konjunktur wahrnimmt und nicht weiter verschlechtert. Viele Regierungschefs, Finanzminister und Kommissare der Eurozone scheinen diesen Tatbestand aber nicht verstehen zu wollen, obwohl er triste Realität geworden ist.

IWF warnt vor negativen Folgen

Es ist also schon bemerkenswert, dass gerade der Internationale Währungsfonds, der bei vergangenen Krisenbekämpfungen nicht immer geglänzt hat, in seinem letzten Jahresbericht über hohe Schulden und schwaches Wachstum die Gefahr des zu rapiden und brutalen Sparens hervorgehoben hat. Der IWF warnt vor negativen Konsequenzen einer zu radikalen Sparpolitik für die Konjunktur und damit ebenfalls für alle Staatseinnahmen. Der Fiskalmultiplikator erklärt nämlich, warum brutaler Defizitabbau eine Rezession verursacht, weiteren Defizitabbau noch schwieriger macht und dazu noch in der Volkswirtschaft tiefe strukturelle Schäden verursacht, wie z.B. Verarmung, massive Arbeitslosigkeit, insbesondere von jungen Menschen, Innovationsstopp, Schwächung des Bildungsniveaus usw., das heißt allgemein eine längerfristige strukturelle Schwächung des Wachstumspotenzials.

Der Fiskalmultiplikator, dessen Impakt von Volkswirtschaft zu Volkswirtschaft verschieden ist, müsste bei einer intelligenten Konsolidierungspolitik, die Wachstum nicht abwürgt, ernsthaft in Betracht gezogen werden. Das ist in Europa auf Druck der Kommission und einiger Regierungen nicht der Fall. Europa schliddert also unaufhaltsam in die Rezession, obwohl nur höheres Wachstum die Probleme lösen würde. Der Zusammenhalt der Eurozone ist längerfristig nicht gesichert. Der frühere EIB-Präsident Philippe Maystadt fordert deshalb zu Recht von der Kommission, auf einen gemäßigteren Defizitabbau umzusteigen. Es wird immer klarer, dass die strenge Austeritätspolitik ihr Ziel nicht erreichen wird.

Die Schuldenländer sinken immer tiefer in eine Krise, deren wirtschaftliche, soziale aber auch politische Folgen verheerend sein werden. Gesellschaften, ja sogar Staaten riskieren auseinanderzubrechen. Dies scheint aber die aktuellen „Krisenmanager“ kaum zu kümmern.

Sicherlich ist eine solche europäische Austeritätspolitik für Luxemburgs exportorientierte Wirtschaft absolut negativ. Auch hat unser Land kein Interesse an einer Krise, welche Europa in eine dauerhafte Periode der Instabilität und der wirtschaftlichen Stagnation zu stürzen riskiert.

…was heißt das für Luxemburg?

Aber auch Luxemburgs Haushaltspolitik darf den makroökonomischen Kontext nicht außer Acht lassen. Obwohl der Fiskalmultiplikator in einer kleinen offenen Wirtschaft eine nicht so starke Rolle spielt, sollte man ihn nicht einfach unterschätzen, wie es die Zahlen des Statec übrigens beweisen.

Die im von der Regierung vorgeschlagenen Haushalt für 2013 vorgesehenen Spar- und Steuermaßnahmen hätten rezessive Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft zwischen 0,3 und 0,5% gehabt. Dieser wird durch die neuen Vorschläge, das Defizit schneller abzubauen, möglicherweise noch verschärft werden. Das Risiko, dass so die Ziele bezüglich des Defizitabbaus nicht erreicht werden, ist real und das umso mehr, weil die europäische Wirtschaft insgesamt in eine Rezession oder bestenfalls in eine Stagnation gleitet.

Eine harte Austeritätspolitik, wie manche sie fordern, wäre auch für Luxemburg völlig kontraproduktiv. Unsere Wirtschaft würde deutlicher schrumpfen, mit dem Resultat, dass das Defizit eher steigen würde. Man muss eben immer wieder daran erinnern, dass ein Staat eben nicht wie ein privater Haushalt funktioniert.

Sicherlich brauchen auch wir, nach Jahren der fast unbegrenzten Einnahmen und in vielen Hinsichten auch übertriebenen Ausgabenpolitik, eine Haushaltskonsolidierung. Die ist umso notwendiger, weil wir mit strukturellen Veränderungen in unserer Wirtschaft konfrontiert sind. Priorität muss deshalb die Vergrößerung unseres Wachstumspotenzials sein.

Wenn Steuererhöhungen auch in der heutigen Wirtschaftslage nicht auszuschließen sind, so sollten sie weder die Nachfrage noch die Investitionen beeinträchtigen.

Es wäre auch gerade jetzt an der Zeit, über eine tiefgreifende Steuerreform nachzudenken. Hier sollte es keine Tabus geben, da auch unser Land ein gerechteres und effizienteres Steuersystem braucht.

Was den Defizitabbau angeht, sollte man unbedingt einen geordneten und gezielten Sparplan aufstellen. Dieser sollte der konjunkturellen Entwicklung Rechnung tragen, soweit die europäischen Regeln das zulassen, und voll zur Geltung kommen, wenn die Wirtschaft wieder Tritt gefunden hat und die Steuerquellen wieder anfangen zu sprudeln. Es gilt gerade dann der Versuchung zu widerstehen, die Ausgabenmaschine wieder schnell anspringen zu lassen.

*Der Autor ist Minister für Arbeit und Beschäftigung.