Heute ist die neue Regierung seit 46 Tagen im Amt.
Die, welche sie nicht mögen, gewähren nicht einmal die übliche Schonfrist zum Einarbeiten und Vorbereiten. Im primitivsten Stammtischtjargon wird – zumeist anonym, was die jeweilig haftbaren Herausgeber in Konflikt mit dem Presserecht bringt – in RTL- und Zeitungsforen im Web sowie in den sogenannten „social networks“ mit der bösen Dreierbande abgerechnet, welche die CSV ins Abseits manövrierte, nachdem sie 90 Jahre ihres Jahrhunderts regierte.
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Im Nachhinein darf man noch über diese in Europa einmalige Leistung staunen: Wie konnte der schwarze Interessenverbund mit nur einem Drittel der Wählerstimmen einflussmäßig zwei Drittel der Macht ausüben? Die einfache Antwort lautet: Weil er für seinen jeweiligen Kleinpartner immer einen anderen in der Reserve hatte.
Betrachten wir die Dinge am Tag 46 des Versuchs eines Neubeginns mal ganz sachlich, Punkt für Punkt.
1. Wirtschafts- und finanzpolitische Großwetterlage.
– Die Globalisierung des Waren- und Leistungsverkehrs erzwingt einen schonungslosen Wettbewerb, der die Staaten in den Abbau ihrer sozialen Systeme und ihres Arbeitsrechtes treibt. Alle EU-Regierungen singen seit zehn Jahren dasselbe garstige Lied von der Kompetitivität gegenüber den jeweiligen Nachbarn; gleichzeitig betrieben sie unter der Fuchtel der Märkte Austeritätspolitiken, die riesige Arbeitslosenheere für die Hungerlöhne von morgen fitmachen. Dafür, für dieses Verbrechen, lassen die Hauptexponenten sich auch noch Auszeichnungen überreichen!
2. Luxemburg, eine politische Baustelle. – Les chiffres sont têtus, Zahlen sind, wie sie sind, vorausgesetzt, sie stimmen. Das Kernproblem mit Luxemburger Zahlenwerken, die zu verlässlichen Prognosen führen sollen, ist die Kleinheit der Summen und damit die Größe der möglichen Abweichung.
Ein Beispiel nur: Für 2013 ging die Regierung für die Berechnung ihres Budgets von einem BIP-Wachstum von 1,7% aus, weit mehr als der Eurozonen-Durchschnitt. Nach den ersten drei Trimestern sind wir bei 2,1%. Sollte sich diese Tendenz im vierten Trimester bestätigt haben, was im März bekannt sein sollte, wäre der Unterschied ein gewaltiger, mit positiven Folgen für die Staatskasse und einer neuen Rechenbasis für das Budget 2014 sowie die Hochrechnungen für 2015-2016. – Übrigens: Im oft als beispielhaft zitierten Deutschland betrug das BIP-Wachstum 2013 genau 0,4%, so viel wie die positive Abweichung in Luxemburg. Dass der Finanzminister jetzt Denkanstöße für die künftige Finanzpolitik sammelt und auch gibt, ist ein wesentlicher Teil seines Jobs. Er soll hinhören, selber cogitieren und dann auf den Instanzenweg gehen und dabei die Verpflichtung seiner Regierung zum Trialog mit den Sozialpartnern nicht vergessen.
Die zu Recht viel diskutierte Erhöhung der TVA um 2% war eine von der CSV schon beschlossene Maßnahme im Rahmen der Sanierung des Staatshaushaltes, mit Blick auf die ab 2015 zu erwartenden Einbrüche des von Luxemburg aus betriebenen elektronischen Handels. Wann sie in Kraft tritt, ist nicht entschieden.
Ende der Ära Juncker
3. Neuordnung bei der CSV. – Es mehren sich die Zeichen dafür, dass die CSV die Ära Juncker beenden möchte. Das wird kein Zuckerschlecken für die Erneuerer, die parteiintern auf latenten Widerstand stoßen. Man behauptet nicht ungestraft einerseits, die CSV wäre groß, schön und gut, und gleichzeitig, sie müsse von Grund auf umgekrempelt werden. Wir sind gespannt, was in den Kulissen und auf der Bühne noch passieren wird, bis die alten Koryphäen alle platziert sind, zuvorderst Juncker, der Bedauernswerte, der auf die Betteltour zu Europas Fürstinnen und Fürsten muss. Dürfen wir, Shitstürme auf Facebook, RTL und elsewhere hin oder her, nach diesen Überlegungen am Tag 46 den Tag 100 abwarten, um erste Kommentare zu Beschlüssen nachzuschieben?
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