Noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts wussten die Europäer nicht viel von dem, was «draußen» passierte: Nachrichten reisten so langsam wie die Postkutschen; Boten zu Pferd informierten die Fürsten kaum schneller, und es war eigentlich egal, denn die meisten Menschen lebten recht und schlecht auf dem Land und vom Land.
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Da sind wir aber heute besser dran, nicht wahr? Wir wissen alles sofort, in Realzeit, alles über die Ukraine,
die guten Amerikaner und ihre NATO und ihre EU, die selbstlos der Kiewer Regierung helfen, die Demokratie gegen den fürchterlichen Putin zu verteidigen; wir wissen alles über die islamischen Terroristen, die unser freiheitlich westliches Aufbauwerk im Irak und in Libyen zerstören, wir wussten ja auch alles über die Hintergründe der Kuba-Blockade, des Vietnamkrieges, des Allende-Mordes, des langen Kampfes gegen die Taliban in Afghanistan usw., usf. Ja, wir sind bestens informiert, niemand macht uns ein X für ein U vor …
De facto gehen die gewählten Machthaber in der Regel davon aus, dass sie im allgemeinen Interesse nicht anders können, als mit beschönigten, verdrehten oder gar falschen Darstellungen der Dinge zu operieren.
Die breite Öffentlichkeit findet nun einmal die Zeit nicht, um sich in die komplexen Zusammenhänge einzuarbeiten: Wie sollte man ihr, zum Beispiel, die geopolitischen und geostrategischen Gründe für die Einverleibung der Ukraine in das westliche Bündnissystem (das wirtschaftliche wie das militärische) vermitteln?
Wäre auch unschön, würde man die mit den gegenwärtigen Winkelzügen angestrebten Milliardenprofite als ein unehrenhaftes Ziel entlarven.
Nie in der Geschichte waren die Möglichkeiten zur Manipulation der Meinungsbildung so groß wie jetzt. Sie werden mit aller Konsequenz genutzt, nicht nur in Diktaturen und Halbdemokratien, sondern auch hochprofessionell im sogenannten freien Westen.
Brüssel operiert seit Jahrzehnten mit verdeckten Karten: Die erzwungene Austerität sollte von Anfang an genau die Ziele erreichen, die jetzt die Völker mürbe und gefügig machen: Staaten, die sich totsparen, bis sie «privatisieren» müssen, Dutzende von Millionen Arbeitslose und eine um ihre Zukunft geprellte Jugend, die nur noch zu Niedrigsttarifen einen Job findet, während andererseits an den Börsen und in den global agierenden Konzernen unverschämt hohe Profite eingefahren werden.
Die künftige EU-Kommission kann die Umverteilung von unten nach oben nicht weiter so vorantreiben; sie wird, um die soziale Explosion zu vermeiden, den Würgegriff etwas lockern. Gut, aber auch dann bleibt sie noch ein Instrument in den Händen der famosen Finanzmärkte und Ratingagenturen.
Es sei denn, Juncker, «unser» Juncker, wagte den politischen Aufstand im Sinne der Gründer nach dem Zweiten Weltkrieg. Alle Macht der fortschrittlich ausgerichteten Politik! Freiheit auf dem Boden der sozialen Solidarität!
Träumen darf man ja.
Träumen auch von einem neuen Anlauf der neuen Luxemburger Regierung, die schon viel von ihrem Kredit verloren hat. Am 18. September trifft sie die Vertreter der Gewerkschaften und des Patronats: Man wolle die Ausrichtung bekannt geben, in Sachen Budget, Steuerpolitik, Reformen zugunsten der Wirtschaft.
Luxemburg kann sich mehr leisten
Weil die Blauen sich zu diesen Fragen bedeckt halten und die Grünen dazu gar nichts sagen, während die Sozis manchmal gegen die Fortsetzung der CSV-Austerität reden, sind wir gespannt.
Wären ein paar Empfehlungen zur Stützung der Kaufkraft gestattet, um das Leben lebenswerter zu machen und die inländische Wirtschaft anzukurbeln?
Sofortige Anpassung der Steuertabellen an den Index, in Erwartung der Reform, die den Mittelstand entlastet, nachträgliche Auszahlung des geschuldeten Rentenajustements, Wink an die Unternehmen, sich an der Belebung durch mehr Neueinstellungen zu beteiligen, Schluss mit dem kindischen Prinzip, koste es, was es wolle, die öffentlichen Ausgaben zu kürzen. Luxemburg kann sich mehr leisten!
Und noch eins: Partner wollen grundsätzlich an den Entscheidungen beteiligt sein.
Braucht diese Regierung Partner? Wenn ja, ist dringend die Methode zu erstellen, wie sie an der Entscheidungsfindung teilnehmen. Es sind keine Figuranten.
Alvin Sold
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