Headlines

Business as usual

Business as usual

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Mit dem Oscar, dem wichtigsten Filmpreis der Welt, wird der beste Film der Welt ausgezeichnet. Sollte man meinen.

Doch Jurys, die über Kunst urteilen – und wir gehen hier einmal davon aus, dass Filme Kunst sind –, haben an sich schon ein Problem: Schließlich lässt sich der Erfolg von Kunst nicht berechnen. Die verkauften Kinokarten sagen zwar etwas über den kommerziellen Erfolg aus, doch damit will man sich selbst in Hollywood nicht begnügen. Diese Subjektivität, die demnach jede Entscheidung über Kunstpreise charakterisiert, ist beeinflussbar. Dieser Einfluss – neben schicken Kleidern, entblößten Brüsten und sexy Sprüchen – ist demnach das wirklich Interessante an einer Oscar-Verleihung.

Logo" class="infobox_img" />Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu

Da sind natürlich zunächst einmal die PR-Kampagnen der Filmstudios. Exklusive Vorführungen mit Schampus und Häppchen, gratis DVDs per Post nach Hause, Anzeigen und gezielte Werbeslogans: Besonders die rund 6.000 Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Sciences (Ampas), die direkt für die Entscheidungen verantwortlich sind, aber auch Presse und VIPs der Filmbranche werden im Vorfeld der Verleihung verwöhnt und gehätschelt, beeinflusst und gelenkt.

Den besten Marketing-Coup landete in diesem Jahr der ansonsten eher pressescheue Österreicher Christoph Waltz. Er legte kürzlich einen ebenso selbstironischen wie sympathischen Gastauftritt in der amerikanischen Kultsendung „Saturday Night Live“ hin, in der er sich mit lockeren Sprüchen gegen die vermeintliche Ernsthaftigkeit und Humorlosigkeit des europäischen Kinos abgrenzte. Mit Erfolg: Die US-Presse reagierte begeistert auf seinen „typisch amerikanischen Humor“. Und Sonntagnacht war er es, der strahlend den Oscar für die beste männliche Nebenrolle (als Kopfgeldjäger in Tarantinos „Django Unchained“) entgegennahm.

Das Filmstudio Miramax hat bereits im letzten Jahr bewiesen, dass seine Strategen ein Händchen dafür haben, den US-Juroren Honig um die Mäuler zu schmieren. Ihnen war es gelungen, „The Artist“ von seinem Image als französischer Arthouse-Film zu befreien und ihn als eine Verbeugung vor „good old Hollywood“ zu verkaufen: Der Film räumte prompt in allen wichtigen Kategorien ab.

Gesellschaftspolitische Debatten

Im Gegensatz zum Vorjahr kommt in diesem Jahr noch die politische Brisanz der in vielen nominierten Filmen verhandelten Themen hinzu. Während 2012 vor allem die Vergangenheit gefeiert wurde – „The Artist“ (Michel Hazanavicius) und „Hugo Cabret“ (Martin Scorsese) sind zum Träumen einladende Märchen aus den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts –, so haben viele der in diesem Jahr nominierten Filme („Lincoln“, „Django Unchained“, „Zero Dark Thirty“) im Vorfeld der Verleihung gesellschaftspolitische Debatten ausgelöst, die – wie sollte es auch anders sein – die Juryentscheidungen von Sonntagnacht beeinflussten.

Am offensichtlichsten ist dies bei Kathryn Bigelows Politthriller „Zero Dark Thirty“, der, bevor einige Kongressabgeordnete gegen die in dem Film gezeigten Foltermethoden protestierten, noch als heißer Favorit gehandelt wurde. Am Sonntag wurde Bigelows Rekonstruktion der Jagd auf Osama Bin Laden dann allerdings nur noch mit einem Trostpreis, dem Oscar für den besten Tonschnitt, abgespeist, den sie sich zu allem Überfluss auch noch mit dem Bond-Film „Skyfall“ teilen muss.

Die Academy zieht sich – sobald es kritisch wird – nun mal gerne auf den Standpunkt zurück, die Oscar-Verleihung sei vor allem eine Unterhaltungsshow. Zu viel Politik schade dem Geschäft, pardon, der Kunst.

Und so passt es ins Bild, dass „Argo“ von Ben Affleck den wichtigsten Preis, den für den besten Film, einheimste. Er ist guter Konsens, zwar auch ein bisschen politisch, schließlich geht es um die wahre Geschichte eines CIA-Agenten, der 1980 sechs Geiseln aus der Botschaft in Teheran befreite, doch bleibt er dem Genre der guten Unterhaltung durch und durch treu. Ende gut, alles gut.

Wäre da nicht ein kleines Detail, das jegliche Rechtfertigungsversuche der Academy, unpolitisch sein zu wollen, ad absurdum führt: Michelle Obama herself hat die Verkündung des besten Films übernommen und schaltete sich hierfür direkt aus dem Weißen Haus in die Zeremonie ein.

Die iranische Regierung hat bereits äußerst verärgert reagiert. Was für ein politisches Finale einer ach so unpolitischen Preisverleihung.