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Zwei Totenscheine

Zwei Totenscheine
(Tageblatt-Archiv)

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Am 14. März letzten Jahres starb in Erpeldingen bei Ettelbrück ein junger Mensch in der Wohnung seiner Eltern.

Er war seit geraumer Zeit wegen seiner Drogensucht in medizinischer Behandlung und sollte an dem Tag mit der Ambulanz in ein Krankenhaus gebracht werden, damit er dort erneut therapiert wird.
Doch es kam nicht dazu, denn der junge Mensch reagierte sehr aufgebracht, als es zum Krankentransport kommen sollte, und die Polizei wurde eingeschaltet.

Roger Infalt rinfalt@tageblatt.lu

Und damit begann ein Drama für diese Familie, die sehr wohl um den genauen Gesundheitszustand des jungen Mannes wusste und auch heute noch immer keinen Hehl daraus macht, dass er schwer krank war und sich selbst langsam, aber sicher mit seiner Sucht in den Tod getrieben hat.

Es gab aber noch gleich am Todestag des jungen Mannes kontroverse Aussagen, was den Polizei-Einsatz in dem Haus in Erpeldingen anbelangte, wurden doch hier laut Polizeiberichten Knüppel, Pfefferspray und Handschellen von den Uniformierten eingesetzt und das Opfer hatte Wunden an Händen, Beinen und an der Stirn. Während des Handgemenges habe der junge Mann auf dem Boden liegend, mit den gefesselten Armen auf dem Rücken, plötzlich nicht mehr reagiert, die Atmung habe ausgesetzt, der Puls sei nicht mehr zu spüren gewesen. Der herbeigerufene Notarzt konnte nur noch den Tod des Mitte Zwanzigjährigen feststellen.

Die offizielle Meldung, die damals an die Medien weitergeleitet wurde, sprach vom Tod des Mannes während des Krankentransports. Gegen diese Darstellung des Vorfalls wehrt sich der Vater aber mit allen verfügbaren Mitteln, denn sein Sohn sei nachweislich in der Wohnung gestorben und nicht etwa auf dem Weg ins Krankenhaus. Jetzt könnte man meinen, der Unterschied sei nicht sehr groß, doch in diesem Fall ist die Sachlage ganz anders.

Auf der Suche nach der Wahrheit

Dem Vater wurde wenige Tage nach dem Zwischenfall eine Kopie des Totenscheins auf den Namen seines Sohnes ausgehändigt, unterschrieben von dem Arzt, der am 15. März 2013, also am Tag nach dem Vorfall in Erpeldingen, die Autopsie des jungen Mannes vorgenommen hatte. Aus einem der zahlreichen Berichte, die uns vorliegen, geht u.a. hervor, dass dieser Arzt am Tag der Autopsie ein Treffen mit gleich drei der Polizeibeamten und ihrem Chef hatte, die alle tags zuvor am Einsatz in Erpeldingen beteiligt waren. Eine stichhaltige Erklärung, warum dieses Treffen stattfand, findet man nicht in den Dokumenten. Dieser Arzt bescheinigt am Tag nach dem Ableben des jungen Mannes dessen Tod, ohne auch nur im Geringsten eine (eventuelle) Todesursache anzugeben. Es gibt aber einen Eintrag, von dem der Vater heute behauptet, dass dieser erst später, also nachdem der Arzt seine Unterschrift unter den Totenschein gesetzt hatte, gemacht wurde. Als Ort des Todes wird der Name der Straße, in dem der junge Mann wohnte, angegeben, doch vor dem Straßennamen hat jemand „voie publique“ auf das offizielle Dokument gekritzelt.

Wer diesen Eintrag gemacht hat und warum, darüber rätselt der Vater, der sich bereits mehrmals an die Polizei, an den zuständigen Minister, an die „Ombudsfra“, an die Justiz usw. gewandt hat, ohne auf seine Frage nach der ganzen Wahrheit eine Antwort zu bekommen. Bei seinen eigenen Recherchen stieß der Vater dann – man glaubt es kaum – auf einen zweiten Totenschein auf den Namen seines Sohnes. Dieser war vom Notarzt unterschrieben worden, der am 14. März in Erpeldingen vor Ort war.
Dieser Schein trägt als Ort der Feststellung des Todes nicht etwa die „voie publique“, sondern ganz allein die Adresse der Wohnung. Auf diesem Totenschein ist als Todesursache die Bezeichnung „mort suspecte“ angekreuzt.

Zwei Totenscheine mit zwei verschiedenen Laufnummern, zwei verschiedene Eintragungen, was den Ort des Todes anbelangt, einmal keine Angaben zur Todesursache, das zweite Mal wird „mort suspecte“ angegeben, ganz verschiedene Versionen des Ablaufs des Zwischenfalls, offizielle Berichte, die an vielen Stellen unterschiedlicher nicht sein könnten …

Nun denke jeder, was er will. Der Vater denkt jedenfalls nur an eines: „Die Wahrheit herausfinden, nichts als die Wahrheit.“