Dank des Mehr an Wachstum und dank niedrigerer Preise (durch mehr Wettbewerb) hätte eine europäische Durchschnittsfamilie nach TTIP jedes Jahr zusätzliche 500 Euro in der Tasche, wirbt die EU-Kommission. Doch solche Studien sind unseriös. Woher wollen die Autoren wissen, was die Effekte eines Abkommens sein werden, das zum größten Teil noch ausgehandelt werden muss?
" class="infobox_img" />Christian Muller cmuller@tageblatt.lu
Es handelt sich praktisch um Wunschdenken. Bis heute ist noch nicht einmal geklärt, wie viele Sektoren überhaupt betroffen sein werden.
Ebenfalls unseriös sind jedoch viele Argumente der TTIP-Gegner. Auch sie können heute noch nicht wissen, was irgendwann in dem künftigen Papier stehen wird.
Aus reiner Angst vor möglichen negativen Folgen soll man den potenziellen Nutzen nicht aus den Augen verlieren. Europa braucht Wachstum und neue Jobs. Die Alternative, sich von der Globalisierung abzuschotten, wird kaum für ein langfristiges und nachhaltiges Wachstum sorgen. Gerade kleine Länder wie Luxemburg brauchen große Freihandelsräume, um ihre Produkte und Dienstleistungen verkaufen zu können. Luxemburg zählt zu den Gewinnern des europäischen Binnenmarktes. Nicht vergessen sollte Brüssel dabei aber, dass eine Öffnung von Märkten sowohl Gewinner als auch Verlierer zur Folge haben wird. Hier könnten Gelder für mögliche Umschulungen gleich mit eingeplant werden.
Die lautstarke Kritik der TTIP-Opposition hat jedoch bereits viel erreicht, was mehr Transparenz angeht. Wenn das Abkommen heute in Brüssel mit Stolz als „das transparenteste Freihandelsabkommen aller Zeiten“ beschrieben wird, dann bestimmt nicht, weil die EU-Kommission dies so geplant hatte. Nur wegen des Misstrauens der Zivilgesellschaft wird auf Offenheit gesetzt.
Auch die Politiker im Europäischen Parlament wurden von der „überraschend“ starken Opposition der Zivilgesellschaft wachgerüttelt. Inzwischen hat das EU-Parlament den Verhandlern einige Leitlinien vorgegeben. Dazu zählt die Ablehnung der intransparenten Schiedsgerichte für Investoren sowie eine Ablehnung von niedrigeren Standards.
Solange die Texte jedoch geheim sind, weiß niemand, ob das im Endeffekt denn auch stimmen wird. Die Verhandler aber sind vorgewarnt: Sollte Europas Zivilgesellschaft in dem kurzen Zeitrahmen zwischen Veröffentlichung des Texts und dem Datum der Abstimmung im EU-Parlament noch auf ein neues – bis dahin verstecktes – negatives Detail stoßen, würde sie vom Parlament eine Ablehnung des gesamten Abkommens fordern. Eine wahre Diskussion über Detailfragen ist im Vorfeld ja (noch) nicht möglich.
Fazit: Es ist heute einfach noch zu früh, um sich eine feste Meinung über TTIP bilden zu können. Da TTIP aber „so viel mehr als nur ein Freihandelsabkommen“ werden soll, muss es noch viel transparenter werden. Demnach muss die Zivilgesellschaft aufmerksam bleiben und den Druck aufrechterhalten. Selbst wenn die Verhandlungen noch Jahre dauern würden … ein gutes Abkommen wäre einem schnellen und schlechten sicherlich vorzuziehen.
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