Und auch Apollons fröhliche Klänge sind nicht gefragt. Nur Ares lacht: Denn in Krisenzeiten ist er es, der über den Haushaltstopf wacht: Es herrscht finanzieller Krieg, in dem Geldmangel und Geldgier Hand in Hand arbeiten.
Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu
Die europäischen Kulturdenkmäler werden eines der nicht zu kurierenden Opfer dieses Krieges sein. Besonders in Südeuropa, dort, wo sich die meisten kulturellen Denkmäler des Kontinents befinden, werden die Kulturhaushalte am drastischsten gekürzt. Schließlich muss – zumindest vordergründig – das letzte Geld für Rentner und gegen Jugendarbeitslosigkeit zusammengekratzt werden. Da leuchtet es wohl ein, dass für Kunst und Kultur nicht mehr viel übrig bleibt. Und schon gar nicht für alte Steine.
Italien besitzt die meisten von der Unesco als Weltkulturerbe eingetragenen Stätten. Dennoch hat sich der Kulturetat des Landes in den letzten zehn Jahren halbiert. 2004 wurden für die Restaurierung und Instandhaltung von Schlössern und Tempeln noch 335 Millionen Euro ausgegeben, 2011 war es nicht einmal mehr ein Drittel der Summe. Und als 2010 das Haus der Gladiatoren in Pompeji einstürzte, schämte sich ganz Italien zwar noch mehr als für das Lotterleben seines damaligen Premiers, Pompeji musste dennoch weiter vor sich hin rotten.
Geldmangel und Geldgier
Da kamen die Retter in Not gerade recht: jene aus dem Privatsektor, die gelernt haben, aus Geldmangel Profit zu schlagen. Anfang des Jahres nämlich ließen Italiens Kulturbehörden zu, dass das antike Theater in Pompeji mit schrillen Plastiksesseln und funktionstüchtigen Containern für sanitäre Bedürfnisse vollgestopft wurde, damit dort wieder lukrative Konzerte Geld in die leeren Kassen spülen.
Auch das griechische Parlament möchte angesichts der Sparauflagen nun Delphi und den Palast von Knossos auf Kreta als Freilichtbühnen vermieten – gegen gutes Geld, versteht sich. Verschwiegen und vergessen, dass 1976 genau solche Massenveranstaltungen wegen gravierender Schäden am Kulturerbe verboten wurden.
Wenn die Kassen voll sind, dann fällt es auch nicht schwer, über die 42 Millionen Euro einfach hinwegzulächeln, die es gekostet hat, bis Kulturministerin Octavie Modert im Juli das Festungsmuseum endlich strahlend wiedereröffnen durfte. Je leerer die Kassen jedoch sind, desto schwieriger lassen sich die Grenzen zwischen Gebotenem und Verwerflichem ziehen.
Frankreich scheint einen pragmatischen Mittelweg gefunden zu haben. Einerseits gilt auch heute noch, was De Gaulles Kulturminister André Malraux verwurzelt und der Sozialist Jack Lang weitergefördert haben: Der Staat ist stolz auf seine Pflicht, das Volk für Kultur zu begeistern. Der Kulturetat scheint das einzig Heilige in der französischen Politik zu sein, an das zur Verfügung stehende Geld für die Erhaltung und Renovierung historischer Stätten hat sich auch in den letzten Jahren nicht einmal Sarkozy herangetraut.
Andererseits ist es in Frankreich statthaft, ganze Fassaden von Kulturgütern als Werbeflächen zu vermieten. Die Garnier-Oper rät zu Markenkleidung, der Grand Palais kassierte Millionen von der nationalen Fluggesellschaft, die sich dafür auf 500 Quadratmetern ausbreiten durfte – zumindest während der Bauarbeiten.
Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, auch historische Stätten zu Geldbringern aufzupolieren. Doch sollten diese Denkmäler historische Stätten bleiben und nicht zu Event-Locations verkommen.
Denn verkommen die Mauern und Steine, so verkümmern auch die Werte, die sie verkörpern. Auf den Steinen Griechenlands wurzelt das uns liebste politische System: die Demokratie. Auf der Akropolis entstand einst die Idee eines Europas. Nun sollen auf ihr 007-Stunts und Werbefilme für Haarshampoo gedreht werden?
Nicht nur Geldmangel und Geldgier, sondern auch kulturelles Erbe und gesellschaftliche Werte gehen Hand in Hand. Oh Athene, du Schutzherrin der Helden, der Städte und der Künste, komm doch bitte zurück, wir brauchen dich!
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