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Sippenhaft

Sippenhaft
(Tageblatt)

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Luxemburg schließt sich den meisten EU-Staaten an. Es wird nicht an den offiziellen Feierlichkeiten in Moskau zum 70. Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation von Nazi-Deutschland teilnehmen. Lediglich der Luxemburger Botschafter in Moskau wird vor Ort sein. Stattdessen wird der Opfer mit Blumenkränzen auf Luxemburger Friedhöfen gedacht. Punkt, Schluss.

Die Entscheidung der meisten EU-Länder, nicht nach Moskau zu fahren, ist kleinlich und kindisch. Kleinlich, weil sie von Engstirnigkeit zeugt, kindisch, weil sie nicht mehr als eine Trotzreaktion ist. Dabei wäre die Teilnahme an den Feierlichkeiten nicht mehr als eine symbolische Geste gewesen und keinesfalls ausdrückliche Unterstützung einer offiziellen Politik, die von einer Mehrheit der EU-Staaten aus welchen Gründen auch immer missbilligt wird.

Logo" class="infobox_img" />Lucien Montebrusco lmontebrusco@tageblatt.lu

Die europäischen Hauptstädte verpassen eine einmalige Gelegenheit, der russischen Bevölkerung ihre Sympathie zu bekunden. Die Militärparade kann man wohl aus der Perspektive des neuen russischen Selbstbewusstseins betrachten, das sich auch in einer Modernisierung der Streitmacht widerspiegelt. Für die russische Bevölkerung ist die Armee jedoch mehr als eine Ansammlung gut ausgerüsteter Männer und Frauen, moderner Tötungsinstrumente. Sie war und ist Teil ihrer Welt. Sie ist Bestandteil der russischen Gesellschaft. Durch sie gingen Großväter, Väter und Söhne.

Die Erinnerung an den Sieg im Zweiten Weltkrieg ist wohl in keinem anderen Land so präsent wie in Russland, und dieser Sieg ist untrennbar mit eben dieser Armee verknüpft. Keine russische Familie, die in den Jahren 1940-1945 nicht mindestens einen Familienangehörigen verloren hätte, an der Front oder als Opfer der Aggression. Hitler-Deutschland wurde nicht mit Sanktionen besiegt.

Statt gebührender Wertschätzung der Opfer schlägt Millionen Menschen nun Geringschätzung entgegen. Zum größeren Verständnis der aktuellen EU-Politik, zu mehr Sympathie gegenüber der Union trägt dies keineswegs bei. Die Haltung der meisten EU-Länder verstärkt jene Kreise in Russland, die das Land weiter in die Isolation treiben wollen, jene Kritiker des Westens, die Russland als einsame Insel, eingekreist von Feinden, sehen. Nicht zuletzt dürfte diese antirussische Politik die Popularitätswerte von Präsident Putin weiter in die Höhe treiben. Womit der Westen genau das Gegenteil von dem erreicht, was er mit seinen Sanktionen bewirken möchte.

Dass sich Luxemburg dem Boykott anschließt, mag man auf EU-interne Solidarität zurückführen. Richtig ist die Entscheidung dennoch nicht. Zumal die langfristigen Interessen der Union im Allgemeinen und Luxemburgs insbesondere in einer guten Zusammenarbeit mit Russland liegen, unabhängig davon, ob es von Putin geleitet wird oder nicht.

Die aktuelle Ukraine-Krise mit den dramatischen Ereignissen von 1939-1945 zu vermischen, grenzt an Geschmacklosigkeit und eine kaum zu ertragende Überheblichkeit. Warum diese Geringschätzung eines Landes, das vor 70 Jahren einen hohen Blutzoll für die Niederschlagung des Faschismus zahlte? Ohne Rote Armee würde man heute womöglich nicht über die Ukraine-Krise diskutieren. Statt Pax Americana hätten wir wohl eine Pax Germanica.