Gegenfrage: Was ist denn daran neu? Gewiss, unter den Christen ist es heute nicht mehr so üblich wie es dies im Mittelalter noch war, jedem „ungläubigen Hund“ (wie die Anhänger des „doux Jésus“ damals die Muselmanen nannten), dessen sie habhaft werden konnten, den Hals abzuschneiden, und doch gibt es immer noch welche, die nicht davor zurückschrecken, etwa mit mörderischer Gewalt gegen Abtreibungsärzte vorzugehen.
" class="infobox_img" />Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu
Und während es das Judentum war, welches das berühmte fünfte Gebot „du sollst nicht morden“ in die Welt gesetzt hat, gibt es auch in dieser Religion eine Reihe von Erleuchteten, die nichts dabei finden, bei Bedarf ein palästinensisches Baby in bester SS-Manier bei lebendigem Leibe zu verbrennen.
Es besteht aber kein Zweifel daran, dass es derzeit sunnitische Fanatiker sind, die in Sachen Barbarei den „state of the art“ verkörpern.
In einem Aufsatz im Guardian hat der indische Schriftsteller Pankaj Mishra (Ausgabe vom 25. Juli) darauf aufmerksam gemacht, dass die zunehmende Verrohung vieler Menschen nicht ohne den Triumphzug des neoliberalen Kultes der freien Märkte zu verstehen ist.
Eine Ideologie, welche die Menschen in Winner und Loser scheidet, wobei ein Großteil der Menschheit dabei bedauerlicherweise, und zwar für die Gesamtdauer ihrer jämmerlichen Existenz, zu den Losern zählt.
Verlierer, die aber tagtäglich im Internet genauestens nachverfolgen können, was ihnen da alles so vorenthalten wird. Etliche von ihnen – ob in den Vorstädten von Paris oder Brüssel oder den Slums Tunesiens oder Marokkos – wollen in ihrem Scheißleben dann aber doch, allen Widrigkeiten zum Trotz, ein bisschen Fun haben. Zum Beispiel, indem sie einen Wehrlosen wie ein Schaf schächten.
Diese These vermag zwar nicht das ganze Daesh-Phänomen zu erklären, da es durchaus ja auch Söhne und Töchter aus materiell gut situierten Familien zu dieser Mordsekte zieht.
Sie sollte trotzdem ernst genommen werden.
Denn die herrschende Ideologie des Neoliberalismus sorgt für immer mehr Ungleichheit, sie hat zur Konsequenz, dass auch in Europa immer mehr junge Menschen das Gefühl haben, dass niemand sie braucht, dass sie besser daran getan hätten, niemals geboren zu werden.
Die wohlhabende westliche Mittelschicht hat es schwer, nachzuvollziehen, wie brutal die Religion des Marktfundamentalismus mit den Habenichtsen dieser Welt (auch in Europa selbst!) umspringt. Eine Brutalität, die aufseiten der Zukurzgekommenen weitere Brutalität und Verrohung gebiert.
Nur eine solidarische Gesellschaft kann auf Dauer eine zivilisierte Gesellschaft sein. Wer aber aus reiner Gier die Menschheit der ungezügelten rohen Macht der Märkte unterwerfen will, der bereitet den Weg für deren unaufhaltsames Abgleiten in die Barbarei.
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