Der neue ägyptische Präsident Mohammed Mursi versuchte, Stärke zu demonstrieren und versprach, mit Härte zu reagieren. Er schickte dann auch umgehend Streitkräfte in die instabile Region, um die Sicherheit wiederherzustellen. Seither kam es immer wieder zu lokalen Auseinandersetzungen.
" class="infobox_img" />Michelle Cloos mcloos@tageblatt.lu
Indes profitierte der Muslimbruder von der Attacke und den bestehenden Spaltungen innerhalb der Armee, um seinen größten Rivalen, Feldmarschall Hussein Tantawi (der bisher als der starke Mann der ägyptischen Übergangsphase angesehen wurde), kurzerhand in Rente zu schicken. Dadurch gewann er gleichzeitig an Ansehen bei der ägyptischen Bevölkerung, die den Abgang Tantawis, eines ehemaligen Mubarak-Getreuen und Symbols des alten Regimes, größtenteils begrüßte. Kurzfristig gesehen konnte Mursi in der Sinai-Krise zwar punkten, doch langfristig könnte das Sicherheitsproblem auf der Halbinsel zu einer nicht zu unterschätzenden Herausforderung werden. Denn eine rein repressive Antwort reicht nicht aus, um die viel tiefer gehenden Probleme zu lösen.
Tiefgreifende Ursachen
Die Halbinsel wurde jahrzehntelang vernachlässigt und trotz des extrem harten Vorgehens der Mubarak-Diktatur war der Sinai nie wirklich unter der Kontrolle der Zentralregierung. Der Sinai ist bereits seit Langem eine rechtlose Zone, in der Schmuggel und extremistische Gruppen florieren. Seit der Revolution hat sich diese Realität allerdings noch verschärft.
Die über 200.000 Beduinen leben in bitterer Armut, sie fühlen sich von Kairo im Stich gelassen. Die Misere und die Frustration, als Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden, schaffen den idealen Nährboden für kriminelle, radikalislamistische Banden. In der Sinai-Region gibt es nämlich fast keine Investitionen oder wirtschaftliche Aktivitäten außerhalb des Tourismussektors. Die Arbeitslosigkeitsrate ist noch höher als im Rest des Landes. Auch genießen die Beduinen nicht annähernd dieselben Rechte wie die anderen ägyptischen Bürger.
Den Hunderttausenden Beduinen werden keine gültigen Ausweise ausgestellt, sie dürfen weder Häuser noch Land besitzen und es ist ihnen sogar untersagt, Brunnen auszuschachten. Für die Beduinen ist es ebenfalls fast unmöglich, einen Posten in der ägyptischen Armee oder der Verwaltung zu erhalten. Sogar wenn sie sich für Arbeitsplätze in der Tourismusbranche bewerben, werden sie systematisch diskriminiert.
Dass sich der Sinai zu einem regelrechten Pulverfass entwickelt hat, ist demnach alles andere als ein Zufall. Das Problem wurde jahrelang verdrängt, dabei liegen die Ursachen für die Gewalteskalationen auf der Hand. Die sozialen Probleme sollten folglich eine Priorität für die neue Regierung sein, denn soziale Gerechtigkeit ist noch immer der beste Schutzwall gegen Instabilität und Fanatisierung. Und dieses Fazit gilt übrigens nicht nur für die ägyptische Halbinsel.
Gerade die Ägypter müssten diese Lektion eigentlich bereits gelernt haben, immerhin war die soziale Misere eine der Hauptursachen, wenn nicht sogar der ausschlaggebende Grund für den Volksaufstand, der letztes Jahr zum Fall des Ex-Despoten Hosni Mubarak führte.
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