Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees IOC, sagte Ende 2014 einen Satz, der für Aufsehen sorgte: Eine der Lebenslügen des Sports sei, dass Sport nichts mit Politik zu tun habe und man sich öffnen müsse.
" class="infobox_img" />David Thinnes dthinnes@tageblatt.lu
International anerkannte Sportfunktionäre wie Michael Vesper (Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes) oder Bernard Lapasset (Präsident des Internationalen Rugby-Verbandes) sind sich inzwischen einig: Der Sport hat politische Implikationen. Aber der Sport solle seine Neutralität, seine Sonderstellung behalten. Diese Aussagen sind durchaus realistisch, zeugen aber auch von einer Angst der Sportbewegung: Angst, die Autonomie zu verlieren.
In der Geschichte der Olympischen Spiele ist es schon fast Tradition, aus politischen Gründen mit einem Boykott Druck auf ein Gastgeberland auszuüben. 1980 nahmen die USA nicht an den Spielen von Moskau teil. Vier Jahre später folgte der Boykott der Sowjetunion bei den Spielen in Los Angeles. 21 afrikanische Staaten fehlten 1976 in Montreal: sie protestierten gegen die Teilnahme Neuseelands, das einen Sportbann gegen das südafrikanische Apartheid-Regime ausgesprochen hatte.Erstmals wurde über einen Boykott 1936 gesprochen: Die Spiele in Berlin fanden dennoch statt und gingen als Propagandaspiele der Nationalsozialisten in die Geschichte ein. Doch ein Boykott ist nur die Spitze des (politischen) Eisbergs.
Jüngstes Beispiel der Nähe zwischen Sport und Politik sind die pompösen Europaspiele 2015 in Baku, als Aserbaidschans Präsident Alijew die europäische Sportbewegung zu sich ins Land eingeladen hatte. Während der Spiele waren die Stimmen über Menschenrechte und Pressefreiheit verstummt, so wie das in der Vergangenheit bei ähnlichen Großereignissen – zum Beispiel den Olympischen Spielen 1988 in Seoul und 2008 in Peking – ebenfalls der Fall war.
Hypokrisie gibt es auf beiden Seiten. Der Sport weist jegliche „Heilungschancen“ weit von sich. Und die Politik duckt sich auch, weil, wie im Fall Aserbaidschan, einige Wochen zuvor eine Ölpipeline eröffnet wurde – in Anwesenheit der deutschen Bundeskanzlerin, die aber dann ihre Präsenz bei der Eröffnungsfeier von Baku absagte. Die Wirtschaft muss nicht nur ihre millionenschweren Gewinne im Sinn haben, sondern auch ihre soziale Verantwortung.
Baron Pierre de Coubertin war von den erzieherischen und sozialisierenden Kompetenzen des Sports überzeugt und belebte die Olympischen Spiele der Antike wieder. Von diesen hehren Zielen ist so gut wie nichts mehr übrig. Geld regiert die (Sport-)Welt – siehe die Beispiele Baku oder FIFA. Ein Eingreifen der Politik in den Sport liegt also auf der Hand. Die Politik autorisiert die Gelder, die in den Sport fließen, mit denen Nationalkader am Leben gehalten, Stadien gebaut, Dopingtests bezahlt oder Wettkämpfe organisiert werden. Die Politik darf sich nicht der Verantwortung entziehen und zum Beispiel wie „im richtigen Leben“ mit Sanktionen drohen, wenn ein Land, Verband oder Athlet sich nicht an Regeln hält.
Der Sport muss seine Position in der Gesellschaft stärken und darf sich nicht hinter der Mauer der Autonomie verstecken. Der Sport verkauft sich gut, lässt seine wahren Werte aber immer öfters außen vor. Mit Hilfe der Politik könnte der Sport eine noch wichtigere Rolle in unserer Gesellschaft spielen. Und in der Öffentlichkeit nicht nur als Geldmaschine wahrgenommen werden.
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