2002, beim „Grand départ“ der Tour de France in Luxemburg, gewann er den Prolog und später seine vierte von sieben Frankreich-Rundfahrten.
Und 2010, während seines zweiten Comebacks, nahm Armstrong ebenfalls an der Luxemburg-Rundfahrt teil.
Claude Clemens cclemens@tageblatt.lu
Im Gegensatz zu 1998 und 2002 war er da schon der, der er auch heute noch ist – und noch viel mehr seit vergangenem Wochenende: der polarisierende Radsportler schlechthin. Entweder man liebt ihn, oder man hasst ihn, möchte man fast sagen. Im Falle von „L.A.“ aber richtigerweise: Man glaubt ihm, oder man glaubt ihm nicht. Und, da er der polarisierende Radsportler schlechthin ist, bedeutet das auch gewissermaßen: Man glaubt dem Radsport – oder man glaubt dem Radsport nicht.
2010 in Luxemburg gab es nach der letzten Etappe einen französischen Zuschauer, der Armstrong nicht glaubte und dies lauthals kundtat. „Tricheur, menteur“, schrie er. Die überwiegende Reaktion bei anderen Zuschauern damals war Entrüstung – gegenüber dem Störenfried. Man glaubte dem Radsport. Von „sale Français“ bis „pédé“ war damals alles dabei, fast kam es zu Handgreiflichkeiten.
Polarisierende Sportler wie Armstrong gibt es wenige. Und die, die es noch gibt, sind oft auch ehemalige Dopingsünder.
Selbst schuld
Doping, die Geißel des modernen Sports. Ein Thema, mit dem aus sehr vielen Gründen schwer umzugehen ist. Der Schutz der Privatsphäre der Sportler, Beweislast-Umkehr – im Kampf für einen sauberen Sport müssen saubere Sportler im wahrsten Sinne des Wortes die Hosen runterlassen. Wegen ein paar – wollen wir’s hoffen – schwarzer Schafe. Und wegen des nicht kleinzukriegenden Generalverdachts.
Der aber auch mit polarisierenden Sportlern zu tun hat und wegen dieser nicht weniger wird. Solange die Winokurows, Bassos, und wie sie alle heißen, dieser Welt nach Sperren zwei Jahre älter zurückkommen dürfen, wieder lukrative Verträge erhalten und Rennen gewinnen dürfen, wird dies nicht besser. Als Winokourow 2010 Liège-Bastogne-Liège gewann, buhte das Publikum.
Der Schweizer RadioShack-Fahrer Grégory Rast twitterte vergangenen Freitag: „i read some comments about the lance case in 20min online! it’s amazing how some people think about us! need to stop reading i getting angry“. So leid es uns tut: Wie manche Leute über den Radsport denken (sinngemäß übersetzt: „verrückt, wie manche Leute über uns denken“), daran ist der Radsport selbst schuld.
Denn er macht mit Altlasten – auf dem Rad und in den Begleitwagen – munter weiter, als ob nichts gewesen wäre.
Viele Meeting-Direktoren versuchten den britischen Leichtathleten Dwain Chambers nach dessen Rückkehr nach abgesessener Dopingsperre zu ächten. Sie scheiterten aus rechtlichen Gründen, Chambers durfte wieder Medaillen gewinnen. Wie nach ihm auch viele andere Leichtathleten. Da gab es den Versuch eines „vernünftigen“ – aus unserer Sicht – Umgangs mit Doping-Betrügern, aber er scheiterte. Sicher, aus Fehlern kann man lernen. Aber Winokourow war bei seinem Olympiasieg vor einem Monat 38 und Chambers lief sechs Jahre nach seinem Dopingbefund fast Hallen-Weltrekord. „Das Resultat seh’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“, würde Goethes hin- und hergerissener Faust dazu sagen.
Hin- und hergerissen zwischen dem Glauben, dass saubere Höchstleistungen möglich sind, von Sportlern mit Vorbildfunktion im Sinne des Fair Play erzielt – oder eben nicht.
Eins ist sicher: Lance Armstrong wird noch lange polarisieren …
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