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«Minderheit in der Minderheit»

«Minderheit in der Minderheit»
(AFP)

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Republikaner und Demokraten haben ihren Ringkampf am Klippenrand zum Abschluss gebracht. Allerdings nur zu einem provisorischen.

Die Art und Weise, wie eine Handvoll Tea-Party-Fanatiker ohne Rücksicht auf Verluste eine ganze Nation als Geisel nehmen und nebenbei auch noch die Weltwirtschaft in Gefahr bringen, ist absolut empörend. Die US-amerikanische Linkspresse (z.B. The Nation oder Mother Jones) hat im Laufe der vergangenen Wochen aufgezeigt, dass es sich bei den Machenschaften der Konservativen um ein regelrechtes Attentat auf die Demokratie handelt. Präsident Obamas Projekt einer obligatorischen Krankenversicherung für alle (offiziell bezeichnet als „Affordable Care Act“, inoffiziell schlicht als „Obamacare“) wurde unter Einhaltung sämtlicher Regeln einer parlamentarischen Demokratie zum geltenden Gesetz. Jetzt will eine „Minderheit in der Minderheit“ dieses Gesetz nachträglich kippen, indem sie versucht, die zu seiner Durchführung nötigen Budgetmittel zu blockieren und es somit Hungers sterben zu lassen. So soll „Obamacare“ sozusagen über die Bande kaputt gemacht werden.

Eine Ideologie der Barbaren

Die „Minderheit in der Minderheit“ ist übrigens die Tea Party als Teil der Republikaner. Und auch wenn die „Grand Old Party“ über eine Mehrheit im Repräsentantenhaus verfügt, so ist diese mit einer deutlichen Minderheit der abgegebenen Stimmen zustande gekommen: Insgesamt fuhren bei den Wahlen im November 2012 die demokratischen Kandidaten rund 1,5 Millionen Stimmen mehr ein als ihre republikanischen Widersacher.

Doch vor allem durch die kreative Festlegung von Wahlkreisgrenzen („Gerrymandering“) konnte die GOP diese Stimmenminderheit in eine Sitzmehrheit ummünzen. Gerade im Licht dieser Tatsache erscheinen die Umtriebe der Obama-Hasser besonders skandalös. Der New Yorker bezeichnete sie unlängst als „Aufständische“, die sich wie einst die Konföderierten gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Nation auflehnen, diesmal zwar nicht „mit Musketen und Bajonetten“, dafür aber mit „Verlogenheit, Demagogie und Obstruktionismus“.

Bei der ganzen Affäre gibt es nur einen schwachen Trost: Das Wählervolk scheint mehrheitlich die Republikaner und vor allem die Tea-Party-Taliban für dieses Desaster (Standard & Poor’s beziffert die Kosten dieses Duells für die US-Volkswirtschaft auf mindestens 24 Milliarden Dollar) verantwortlich zu machen.

Doch offensichtlich scheint dies die Tea Party nicht übermäßig zu beeindrucken: Die von ihnen verbreitete Ideologie, derzufolge man den Staat solange zurechtstutzen muss, bis man ihn in einer Badewanne ersaufen kann, fällt leider bei vielen US-Bürgern unverändert auf fruchtbaren Boden: „Jeder für sich, und die Letzten soll der Teufel holen.“

Es ist eine Ideologie der Barbaren, die den totalen Egoismus predigt und jede Form von Solidarität als Kommunismus verleumdet. Und wie sich in der Obamacare-Affäre deutlich gezeigt hat, pfeifen ihre Protagonisten auf die Demokratie, sobald diese ihnen bei der Umsetzung ihrer Pläne als hinderlich erscheint.