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Letzte Chance

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(Tageblatt)

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Seit Mittwoch wird in Athen wieder verhandelt. Die griechische Regierung und die Gläubiger wollen die Verhandlungen möglichst zügig abschließen.

Würde dies gelingen, wäre dies sicherlich der Außenwirkung rund um das griechische Schuldendrama zuträglich. Auch wenn sich die Spannung nach der Einigung in Brüssel vor mehr als zwei Wochen etwas gelegt hat, würden alle Seiten davon profitieren, wenn die Dinge weniger konfliktbeladen über die Bühne gingen. Wobei man sich keinesfalls der Hoffnung hingeben sollte, dass die Gläubiger doch noch zu der Einsicht kommen könnten, aussichtslose Elemente ihres Forderungskataloges an die Griechen zu streichen. Wie etwa die Vorgabe, 50 Milliarden Euro aus der Privatisierung von Staatseigentum zu erlösen; eine Bedingung, die bereits beim ersten Hilfsprogramm aufgestellt wurde. Denn was in den letzten fünf Jahren nicht einmal im Ansatz geklappt hat – nicht einmal zehn Prozent der veranschlagten Summe wurden bislang eingenommen –, wird auch in den kommenden drei Jahren nicht bis zum letzten Euro umgesetzt werden können. Die Gläubiger sollten daher mit mehr Realitätssinn an die Aufstellung ihrer Forderungen herangehen.
Überhaupt sollten für das dritte Hilfsprogramm, das den Griechen nun oktroyiert werden soll, klare Zielvorgaben definiert werden, die sich nicht nur allein auf die üblichen wirtschaftlichen Eckdaten beschränken.

Guy Kemp gkemp@tageblat.lu

Gemessen werden müsste das dritte Hilfspaket auch daran, ob das Gesundheitswesen wieder auf die Beine kommt, die Suppenküchen weniger werden, die Steuereinnahmen steigen, bei gleichzeitigem Rückgang von Steuerflucht und Steuervermeidung, und ob die Zahl der in Armut lebenden Familien abnimmt. Wohlgemerkt, die griechische Regierung wird auch liefern müssen. Alexis Tsipras wird das umsetzen müssen, was seine Vorgänger verabsäumt haben: Bekämpfung von Korruption und Vetternwirtschaft, die Modernisierung der Staatsverwaltung sowie die Abschaffung oligarchischer Strukturen in der Wirtschaft. Doch wird all das nichts nutzen, wenn dem neuen Hilfsprogramm nicht auch ein Investitionsprogramm angefügt wird, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Ideen wurden bereits in den ersten Krisenjahren entwickelt, aber offenbar noch immer nicht umgesetzt.

Nach all den Diskussionen und dem Gezerre der vergangenen Monate dürfte klar sein, dass das dritte Hilfsprogramm jenes der letzten Chance ist. Vielleicht weniger für die Griechen als vielmehr für die Geldgeber, die die Bedingungen diktieren und die Kontrolle übernommen haben. Das bedeutet, dass sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und stellvertretend für alle, die einen harten Kurs befürwortet haben, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in drei Jahren daran messen lassen müssen, ob Griechenland auf stabilere und nachhaltigere Wege gebracht wurde. Denn sie werden die Europäische Union als Ganzes in eine weitere Glaubwürdigkeitskrise gestürzt haben, sollte sich am Ende herausstellen, dass sich die Situation der Griechen nicht wesentlich verbessert hat.