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Kein Freibrief

Kein Freibrief
(AP)

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So hätten also die Griechen am vergangenen Sonntag „Ja“ zum Euro gesagt und derselbige sei damit vorerst mal wieder gerettet. So oder ähnlich wurde das Resultat der Neuwahlen zum griechischen Parlament vielerorten bewertet.

Die Zahlen sprechen allerdings eine Sprache, die wenig Anlass zum Optimismus gibt.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

In der Tat können die Konservativen, wenn es ihnen am Ende denn wirklich gelingen sollte, eine lebensfähige Koalition zusammenzuzimmern, hauptsächlich nur deswegen über eine stabile Mehrheit verfügen, weil das griechische Wahlrecht ihnen als relativ stärkste Partei einen 30-Sitze-Bonus einräumt.

30 Sitze, die allerdings in keiner Weise dem Willen des wählenden Volkes zu verdanken sind.

Die Gegner der Austeritätspolitik haben am Sonntag rund 52% der Stimmen auf sich vereinen können: Da kann man beim besten Willen nicht behaupten, „die“ Griechen hätten dem Sparkurs der Konservativen und Sozialisten einen Freibrief erteilt.

Ganz im Gegenteil: Die Linkspopulisten von Syriza bleiben fast so stark wie die Konservativen. Und haben genauso unverändert wie zuvor keine praktikable und verantwortungsbewusste Lösung für die Probleme Griechenlands anzubieten.

Wider das Kaputtspar-Mantra

Dass etliche Griechen indes so verkommen sind, dass sie einmal mehr Neonazis ihre Stimmen gegeben haben, gereicht der Nation, in der angeblich die Demokratie erfunden worden sein soll, zur tiefen Schande.

Immerhin sind nun die linken Sozialdemokraten der Partei DimAr bereit, der großen Koalition aus ND und Pasok ihren Sukkurs zu geben.

Das verleiht dem Bündnis doch etwas mehr Legitimität, als wenn die beiden Mauschelvereine, die alle beide in erheblichem Maße verantwortlich sind für die desaströse Lage, in der das Land sich befindet, die Sache einmal mehr unter sich ausmachen würden.

Die Tatsache, dass die traditionellen Parteien bei vielen Griechen unten durch sind und das damit entstandene Vakuum von Populisten und Extremisten gefüllt wird, lässt für die Zukunft der griechischen Demokratie nicht unbedingt sehr viel Gutes erahnen.
Ganz anders stellt sich die Lage nach den Wahlen in Frankreich dar: Präsident Hollande erhielt am Sonntag ein deutliches Mandat.

Die Wähler haben ihm zu jener Mehrheit in der Assemblée verholfen, die er braucht, um in der französischen Politik das Ruder herumzureißen und auf der europäischen Szene dafür zu sorgen, dass die Austeritätsapostel um Kanzlerin Merkel ihr einfallsloses Kaputtspar-Mantra nicht mehr unwidersprochen predigen können.
Hollande war vorsichtig genug, im Wahlkampf nicht den Eindruck zu erwecken, als ob er über das Wasser wandeln könne.

Die ökonomischen Gesetze der Schwerkraft gelten auch für Frankreich, dessen ist er sich vollkommen bewusst. Die neue französische Regierung ist allerdings völlig zu Recht der Meinung, dass es einen anderen Weg aus der Krise geben muss als jenen, der von Konservativen und Wirtschaftsliberalen derzeit gepredigt wird: jenen Weg, in dem die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen immer wieder für die Fehler eines wildgewordenen Finanzkapitalismus geradestehen müssen, dessen destruktive Kräfte schon längst über seine kreative Seite triumphiert haben.