Das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am vergangenen Mittwoch war ein Fiasko. Und es hat wieder einmal deutlich gemacht, an was diese Union leidet: am nationalen Klein-Klein sowie an persönlichen und nationalen Eitelkeiten. Die nun mal am stärksten zum Vorschein treten, wenn Posten besetzt werden sollen. Prestige und Ansehen spielen dabei eine Rolle, aber auch politisches Kalkül. Doch lässt sich im Nachhinein nie wirklich ermessen, ob die Besetzung eines bestimmten Postens von irgendwelchem Nutzen war.
" class="infobox_img" />Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu
Dennoch. Dass die 28 sich nicht darauf verständigen konnten, wer neben Jean-Claude Juncker Vize-Kommissionspräsident und zuständig für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU werden soll, zeigt, wie ineffizient dieses Gremium funktioniert. Immerhin war seit Wochen bekannt, dass der Posten besetzt werden müsste. Es ist sinnlos, 28 europäische Staats- und Regierungschefs in Brüssel antanzen zu lassen, wenn von vornherein klar ist, dass keine Entscheidung getroffen werden kann.
EU-Parlamentarier haben Fakten geschaffen
Nur allzu gut, dass sich das Europäische Parlament bei der Bestellung des Präsidenten der Europäischen Kommission behauptet hat.
Wenn die 28 sich nicht einmal auf dessen Vize einigen können, wie lange würden sie dann brauchen, um den geeigneten Kandidaten für den Chefsessel im Brüsseler Berlaymont-Gebäude zu finden? Es ist daher nur folgerichtig, wenn einige bereits davon ausgehen, dass in fünf bis zehn Jahren der EU-Kommissionspräsident direkt von den Wählern in der Union bestimmt wird und nicht über den Umweg der aus den Wahlen zum Europäischen Parlament hervorgehenden stärksten Fraktion. Dazu ist jedoch eine Vertragsänderung notwendig, der so manche Mitgliedstaaten wohl kaum zustimmen werden. In einigen EU-Staaten wird ohnehin die Dynamik, die sich in Brüssel im Zusammenhang mit der Nominierung des Kommissionspräsidenten entwickelt hat, mit Argwohn betrachtet.
Die EU-Staats- und Regierungschefs werden daher, wie sie es bereits angekündigt hatten, danach trachten, wenn auch nicht das Rad ganz zurückzudrehen, so doch die Dinge in ihnen genehmere Bahnen zu lenken. Es darf aber bezweifelt werden, ob ihnen das gelingen wird, denn die Europaparlamentarier haben mit ihrer Auslegung der Bestimmungen des Lissabonner Vertrages Fakten geschaffen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Das sehen Jean-Claude Juncker und der neu gewählte EP-Präsident Martin Schulz ebenso. Dabei wird Ersterer als Kommissionspräsident bald in einer Position sein, in der er den 28 beim Nachdenken über das Verfahren der Ernennung des Präsidenten der EU-Kommission behilflich sein kann. Immerhin verfügt die EU-Kommission über das Initiativrecht. Die Unfähigkeit der Gipfelteilnehmer vergangene Woche, eine Einigung zu finden, spielt ihm dabei in die Hände. Ein besserer Ansatzpunkt kann nicht gefunden werden, wenn in der EU künftig alles effizienter, transparenter und demokratischer werden soll.
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