Die chinesischen Kommunisten wissen, dass sie nur dann langfristig an der Macht bleiben können, wenn sie dem größten Volk der Erde einen anständigen und sich stetig verbessernden Lebensstandard bieten können.
" class="infobox_img" />Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu
Dass sie dabei einen Tiger reiten, hat die Explosionskatastrophe von Tianjin einmal mehr deutlich gemacht. Eine der größten Herausforderungen für die Chinesen besteht darin, Wirtschaftswachstum mit Sicherheit und Umweltschutz unter einen Hut zu bringen.
In Tianjin gelten zurzeit mehrere Hundert Tonnen des Giftes Natriumzyanid – das u.a. Bestandteil des Auschwitz-Mordmittels Zyklon B ist – als unauffindbar. Diese Chemikalie ist für eine Reihe industrieller Prozesse unerlässlich, setzt aber höchste Sorgfalt bei Handhabung, Lagerung und Verarbeitung voraus. Und die war in Tianjin offenbar nicht gegeben.
Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt in der Umgebung dieser großen Hafenstadt sind derzeit noch nicht abzuschätzen.
Tianjin erinnert an die Kollision zweier chinesischer TGVs vor ein paar Jahren, die ebenfalls zeigte, dass China zwar den Bau hochentwickelten technischen Geräts zusehends besser beherrscht, während es aber im Bereich der Betriebssicherheit noch allzu oft Schlamperei und Inkompetenz gibt. Wobei die weit verbreitete Korruption auch nicht eben dazu angetan ist, für eine Verbesserung der Lage zu sorgen.
Doch die Wut in der Bevölkerung über derlei Katastrophen und Skandale (wie die Affäre um die gepanschte Milch) droht für die Kommunisten zu einem erheblichen Problem zu werden. Denn was nützt steigender Wohlstand, wenn darüber Umwelt und Gesundheit zuschanden gehen?
Der rücksichtslose Umgang mit der Umwelt ist nun allerdings keine chinesische Exklusivität: Die Wasserknappheit in Kalifornien macht deutlich, dass man nicht auf Dauer ungestraft Raubbau an den Naturressourcen treiben kann.
Seit Jahrzehnten wurde vor dem gewarnt, was nun eintrifft, doch wurden die Umweltschützer als Miesmacher und Fortschrittsfeinde verunglimpft. Genau die gleichen Vorwürfe, welche die Republikaner und ihre Gefolgschaft derzeit jenen an den Kopf werfen, die vor den Folgen des Klimawandels warnen.
Doch die Kalifornier müssen nun mitansehen, wie „the chicken come home to roost“. Doch die meisten von ihnen weigern sich, der Realität in die Augen zu schauen, und machen alles nur noch schlimmer, indem sie nun die Grundwasserreserven ausplündern wollen.
Die Umwelt ist der Ast, auf dem die ganze Menschheit sitzt. Und eine Wirtschaftsweise, die wesentlich darauf beruht, ebendiesen Ast abzusägen, ist à la longue ganz einfach selbstmörderisch.
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