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Haudrauf-Logik

Haudrauf-Logik
(Tageblatt)

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Das Bombardement der MSF-Klinik in der nordafghanischen Stadt Kundus steht als tragisches Symbol für die Illusion der NATO-Streitkräfte unter amerikanischer Führung, dass man die Weltordnung, die man sich wünscht, am bequemsten und unblutigsten für die eigene Seite ganz einfach aus der Luft herbeibomben kann.

In der Tat meinten es die Angreifer ja nur gut: Sie wollten Patienten und medizinisches Personal davor bewahren, den Angriffen der Taliban zum Opfer zu fallen. Und, nicht wahr, dieses Ziel haben sie ja erreicht. Tot wie sie nun einmal sind, kann ihnen nämlich beim besten Willen kein Taliban mehr ein Härchen krümmen.

Logo" class="infobox_img" />Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Sicher, der vorhergehende Satz ist auf unerträgliche Weise zynisch. Er illustriert aber den Wahnsinn der militärischen Haudrauf-Logik, die schon in Vietnam so wunderschön von jenem US-Offizier vorexerziert wurde, der seelenruhig erklärte, dass man die historische Kaiserstadt Hue, um sie zu retten, leider erst einmal habe zerstören müssen …

Es gibt noch eine weitere Parallele zum Vietnam-Debakel: Nach dem Abzug der US-Truppen und ihrer Gehilfen wird es nicht lange dauern, bis die „prowestlichen“ einheimischen Kräfte überrollt werden. Unbeschadet all der Abermillionen, die zuvor in Ausbildung und Material investiert wurden. Weshalb aber sollte ein armer Bauernsohn für einen mageren Sold Leib und Leben riskieren, umso mehr als es hier keineswegs darum geht, die Heimat gegen fremde Eroberer zu verteidigen, sondern vielmehr eine Clique von einheimischen Räubern gegen eine andere. MSF hat das Klinik-Massaker völlig zu Recht als Kriegsverbrechen bezeichnet. Denn dass sich an diesem präzisen Ort eine medizinische Einrichtung befand, war den verfeindeten Parteien zweifelsfrei bekannt, und es stellt sich einmal mehr die Frage, was das offizielle Propagandagelaber von den „surgical precision strikes“ soll, wenn das Resultat dieser „chirurgischen“ Präzision ausgerechnet in ausgebombten OP-Blocks besteht.

Jedenfalls darf es nicht sein, dass die Militärs, nach einer ersten Phase, in der sie das Geschehene wort- und tränenreich bedauert haben, die ganze Affäre wie gehabt unter der Rubrik „Shit happens“ abheften. Nebenbei übrigens: Russische Laserbomben sind wohl auch nicht präziser als ihre NATO-Gegenstücke, und man wird getrost davon ausgehen dürfen, dass in nächster Zeit etliche syrische Zivilisten nicht nur von islamistischem Terror, sondern im gleichen Aufwasch von ihrem miserablen irdischen Dasein befreit werden.

In den USA starben übrigens 2008 und 2009 laut New Yorker allein 4.740 Minderjährige durch Schusswunden.
Angesichts dessen muss man leider davon ausgehen, dass die 22 Toten von Kundus dennoch bald vergessen sein werden.