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Frankofone Identität?

Frankofone Identität?

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Der 20. März ist ein Tag der Feier, ein Tag zu Ehren der französischen Sprache und Kulturen. Ein Tag, der Anlass gibt, die Wichtigkeit der Förderung und Verbreitung des Französischen in der Welt zu unterstreichen.

Reden von Politikern oder Stellungnahmen von frankofonen Vereinigungen, wie zum Beispiel die der französischsprachigen Schriftsteller, schlagen an diesem ehrenwerten 20. März alle denselben, positiven Tenor an: Die Frankofonie als Wertegemeinschaft und als Institution ist zu fördern und zu fordern, auf kulturellem, aber auch auf politischem Terrain. Denn diplomatisches Engagement in der Konfliktvermeidung oder die Organisation einer multilateralen Nord-Süd-Entwicklungszusammenarbeit etwa gehören ebenso zu den deklarierten Zielen der Frankofonie wie die Förderung der französischen Sprache und ihrer Kulturen. Heute bietet die Frankofonie als internationale Gemeinschaft („Organisation internationale de la francophonie“) mittlerweile 51 Staaten ein supranationales Dach und mit ihm eine frankofone Identität als Mehrwert zu den verschiedenen nationalen Identitäten. Ein Gewinn für alle Beteiligten also. So weit, so gut.

Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu

Bedenklich ist nur, dass sich nicht alle Beteiligten als Gewinner fühlen. Und dass vor allem ehemalige Kolonien Frankreichs auch gute Gründe für ihren Skeptizismus haben. Denn die vor allem kurz nach den Unabhängigkeiten in den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts geäußerte Kritik, die Frankofonie sei ein „degré zéro de la décolonisation“ (Mongo Beti), ein Konzept, das als neokolonialer Ersatz für den verlorenen Einfluss auf den fünf Erdteilen eingeführt wurde, ist gerade auch in unserer heutigen, globalisierten Welt, in der Kultur, Macht und Territorium miteinander verwoben sind wie nie zuvor, nicht leicht zu entkräften. Die postkolonialen Handlungen, die persönlichen Beziehungen ebenso wie die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Mechanismen, die Frankreich mit vielen seiner ehemaligen Kolonien unterhält, stehen bei Weitem nicht immer im Dienste der guten Absichten der OIF. Und so haftet den feierlichen Reden zum internationalen Tag der Frankofonie leider nicht selten ein Geruch von Öl oder dreckigem Geld an.

Französische Überheblichkeit

In dem Land, aus dem nicht nur der jetzige Präsident der Frankofonie, Abdou Diouf, sondern auch der gerne als „père de la francophonie“ bezeichnete Léopold Sédar Senghor stammt, ist zurzeit – im Wahlkampf um die Präsidentschaft – deutlich zu spüren, wie vielschichtig und komplex der Entstehungsprozess und die konstituierenden Elemente einer kollektiven kulturellen Identität sind. Und wie schnell an die Stelle eines offenen Identitätsverständnisses jenes der Abgrenzung und der Ausschließung rückt.

Herausforderung der Frankofonie ist es, gerade in ehemaligen französischen Kolonien die französische Sprache und ihre Kulturen als Mehrwert und nicht als Angriff auf nationale Traditionen und innerpolitische Zukunftsvisionen zu etablieren. Das kann aber nur gelingen, wenn die beteiligten Akteure als gleichberechtigte Partner angesehen werden. Das ohne Scham zur Schau gestellte Überlegenheitsgefühl vieler französischer Rentner, die an den Stränden der senegalesischen Küste ihre sonnenverbrannten Bierbäuche vor sich hertragen und sich zu allem Überfluss auch noch von den jungen, Fußball spielenden Senegalesen gestört fühlen, ist hierfür ebenso wenig förderlich wie ein Nicolas Sarkozy, der sich beim G8-Gipfel im Mai 2011 als Pate Karim Wades ausgibt. Zumal er den im Senegal stark unter Kritik („er spricht nicht einmal wolof“) stehenden Sohn des amtierenden Präsidenten auch noch vor laufenden Kameras Barack Obama als vielversprechenden Politiker vorstellt. So viel zu seinem kurz zuvor deklarierten Prinzip, sich nicht in innerpolitische Angelegenheiten souveräner Staaten einzumischen. Doch der Schuss kann nach hinten losgehen, hat doch der Gegenkandidat Macky Sall am Sonntag gute Chancen, der Ära Wade ein Ende zu setzen. Und zwar, weil er das Vertrauen der Senegalesen gewonnen hat, da er eben gerade nicht mit einem Fuß in Frankreich steht, sondern „einer von uns“ ist. Sein Sieg wäre auch eine gute Nachricht für die Frankofonie, denn wird er die Chance bekommen, sich für die Pflege des Französischen im Senegal einzusetzen, wird er sicherlich auf offene Ohren stoßen.