Frank Schleck berief sich unmittelbar nach seiner positiven Probe auf das Diuretikum Xipamid auf eine Vergiftungstheorie. Von Anzeige gegen unbekannt war zunächst die Rede. Jemand habe dem Tour-Dritten von 2011 etwas untergejubelt, so der anfängliche Tenor.
Frank Schleck äußert sich in einem Statement gegenüber der Presse.
Genau wie bei Contador war die Konzentration des verbotenen Mittels im Körper des Radprofis extrem gering, was die Vergiftungstheorie stützen sollte. Denn mit derartigen Dosen hätte sich weder Contador noch Schleck einen Vorteil verschaffen können. So weit, so gut.
Nun gibt es da aber einige Haken: Nicht zuletzt der Usada-Bericht in Sachen Lance Armstrong machte einmal mehr deutlich, wie weit die Dopingsünder den Dopingjägern voraus sind. Warum gerade welches Mittel eingenommen wird, kann eine ganze Menge Ursachen haben. Vor allem bei einem Diuretikum, das einerseits zur Gewichtsabnahme dienen, andererseits aber auch als Doping-Verschleierungsmittel eingesetzt werden kann.
Auch die Einnahme eines seltenen oder alten, kaum mehr gebräuchlichen Mittels kann Sinn machen. Schließlich ist die Chance größer, dass die Dopingjäger erst gar nicht danach suchen. So manches ist jedenfalls denkbar, das lehrt neben dem Usada-Bericht auch die jüngste Dopingvergangenheit.
Die geringe Konzentration eines verbotenen Mittels ist auch kein Kriterium, das über Schuld oder Unschuld eine Aussagekraft hätte. Ein bisschen gedopt gibt es genauso wenig wie ein bisschen schwanger. Entweder man ist es, oder man ist es nicht.
Eine verbotene Substanz gehört nicht in den Körper eines Sportlers. Und so ist es wesentlicher Bestandteil der Dopingbekämpfung, dass ein überführter Sportler seine Unschuld beweisen muss. Im Gegensatz zu einem „normalen“ Gericht gilt in der Dopingbekämpfung also die Beweislast-Umkehr. Was bei der Vergiftungstheorie quasi unmöglich war, weshalb sie dann wohl auch aufgegeben wurde. Stattdessen soll ein Nahrungsergänzungsmittel schuld am positiven Test gewesen sein.
Der „Conseil de discipline contre le dopage“ schenkte der neuen Theorie der Schleck-Verteidigung Glauben, weil sonst keine andere These plausibel erschien. So steht es in der Urteilsbegründung. Und deswegen bekam Frank Schleck auch nicht die Doping-Regelsperre von zwei Jahren aufgebrummt, sondern kam mit einem Jahr davon, rückwirkend auf den Tag der Dopingprobe angerechnet. Da die These des verseuchten Nahrungsergänzungsmittels aber ebenso wenig wie die Vergiftungstheorie bewiesen werden konnte, war ein Freispruch undenkbar. Ein Jahr Sperre erscheint da als guter Kompromiss, zumal Frank Schleck zuvor nie des Dopings überführt geschweige denn verurteilt wurde, wie es im Urteil heißt.
Beweise und Regeln
Alberto Contador war im Übrigen auch zunächst für ein Jahr gesperrt worden, ehe er vom spanischen Radsportverband freigesprochen wurde. Erst als die Welt-Antidoping-Agentur WADA sich einmischte, wurde der Spanier vom internationalen Sport-Schiedsgericht CAS zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen.
In der Begründung hieß es damals: „Vielmehr kamen die Richter zum Schluss, dass Contador kontaminierte Nahrungsergänzungsmittel zu sich genommen haben müsse. Er habe zugegeben, solche während der Tour de France 2010 benutzt zu haben. Da aus den Dokumenten der Verteidigung aber nicht hervorgehe, welches Produkt dies gewesen sei und wie genau und wann es genommen worden sei, müsse Contador verurteilt werden. Denn da die Rechtmäßigkeit der Probe nicht angezweifelt wurde, gelte der internationale Anti-Doping-Code: Jeder Sportler ist für das verantwortlich, was in seinen Körper kommt. Auf eine unbeabsichtigte Nachlässigkeit könne Contador sich nicht berufen, so die Richter.“ (Tageblatt, 7. Februar 2012)
Fazit: Um Glauben und Nicht-Glauben geht es in der Dopingbekämpfung nicht. Es geht um Beweise und um Regeln.
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