Aber ein Ende des Horrors ist nirgendwo abzusehen. Gestern schlugen zwei Granaten unweit eines der drei Präsidentenpalaste in der Hauptstadt Damaskus ein, doch heißt das mitnichten, dass das Assad-Regime kurz vor dem Untergang stünde.
Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu
Dass beide Geschosse in unmittelbarer Nähe zu einem Krankenhaus explodierten, zeigt einmal mehr, dass auch für Teile der Opposition Menschenleben nur einen eher geringen Wert besitzen. Weil in weiten Teilen des Landes die Trinkwasserversorgung zusammenbricht und sich die Menschen mit Wasser aus Flüssen und Tümpeln versorgen, breitet sich nun in den Kampfgebieten Typhus aus, eine Krankheit, die wohl unter den gegebenen Umständen die Opferzahlen noch einmal deutlich in die Höhe treiben könnte.
Ab nach Den Haag
Doch selbst wenn die Assad-Clique in absehbarer Zeit abdanken müsste, würde das nicht unbedingt Frieden für Syrien bedeuten: Vielmehr droht das Land in eine Vielzahl von Herrschaftsgebieten zu zerfallen, von denen die meisten unter der Fuchtel von Islamisten und/oder Ganoven stünden. Gegenüber dem ancien régime wohl kaum ein Fortschritt. Vor allem wenn man bedenkt, zu welchem Preis dieser Umsturz erkauft wurde.
Carla del Ponte, Mitglied der Syrien-Untersuchungskommission der UNO, fordert völlig zu Recht, dass die Hauptschuldigen möglichst schnell an den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag überstellt werden müssen. Die Regimetruppen haben sich laut UNO wiederholt besonders barbarischer Verbrechen schuldig gemacht, und es darf nicht sein, dass diese Massenmörder ihrer gerechten Strafe entgehen. Gestern stand mit dem Ivorer Laurent Gbagbo der erste ehemalige Staatschef vor dem ICC. Baschar al-Assad sollte ihm möglichst schnell auf der Anklagebank folgen.
Auch die Rebellen haben sich schwerer Verbrechen schuldig gemacht, doch darf man in diesem Konflikt nicht beide Seiten der Front über den gleichen Kamm scheren: Laut den Untersuchungen der Vereinten Nationen klebt ungleich mehr Blut an den Händen der Regime-Soldateska und ihrer Milizen als an jenen der Oppositionsguerilleros.
In Syrien ist die Revolution im Gange, in Tunesien droht sie unterzugehen. Ministerpräsident Hamadi Jebali hat das Handtuch geworfen, dem Land steht eine Periode der Ungewissheit bevor. Immerhin scheinen etliche Tunesier eingesehen zu haben, dass die „gemäßigten“ Islamisten offenbar nicht den Beistand des Allmächtigen genießen.
Niemand besitzt ein Patentrezept für die Lösung von Tunesiens Problemen, aber nur Quacksalber und Obskurantisten können behaupten, dass man etwa der Arbeitslosigkeit mit eifrigem Gebet abhelfen könne.
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