Wie er jedoch dorthin gelangt ist und was sich daraus ergeben kann, kann durchaus als Zäsur in der europäischen Demokratie betrachtet werden. Denn erstmals haben nicht die EU-Staats- und Regierungschefs bestimmt, wer EU-Kommissionspräsident werden soll, sondern eine Wahl, bei der die teilnehmenden europäischen Parteien Spitzenkandidaten für eben diesen Posten aufgestellt haben. Auch wenn die Initiatoren dieses Verfahrens, allen voran die EU-Parlamentarier, quasi als Geburtshelfer dieses demokratischen Fortschritts etwas nachhelfen mussten.
Der Luxemburger Jean-Claude Juncker ist durch seine gestrige Wahl im Europäischen Parlament nicht 28 Staatskanzleien Rechenschaft schuldig, sondern, wie jeder Regierungschef in der EU, der europäischen Volksvertretung. Erstmals kann somit der künftige EU-Kommissionspräsident auch regieren wie ein Regierungschef, ohne im gleichen Ausmaß Rücksicht auf die Befindlichkeiten in den europäischen Hauptstädten zu nehmen, wie dies unter dem bisherigen Amtsinhaber der Fall war. Jean-Claude Juncker sollte und dürfte diesen Handlungsspielraum nutzen, um seine Agenda durchzuziehen. Vor allem da er weiß, dass sie im Europäischen Parlament von einer breiten demokratischen und konstruktiven Mehrheit getragen wird. Denn die EU-Staats- und Regierungschefs sind bis auf Weiteres auf ihre Rolle als Impulsgeber für die Entwicklung der EU zurückgestutzt worden.
(Guy Kemp)
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