Sogar der jüngste unter ihnen, der noch als Heißsporn durchgehen könnte, Serge Wilmes, gehört seit einigen Jahren bereits zum parlamentarischen Establishment. Nicht zu vergleichen also mit jenen jungen Wilden Reding, Biltgen, Jacobs, Weiler, die 1984 als CSJler mit Jean-Claude Juncker in ihrer Mitte den hauptstädtischen Breedewee hinaufstürmten, um wenig später die Macht in der Partei und anschließend im Staat an sich zu reißen.
Fast drei Jahrzehnte nach diesem historischen Foto will sich die Partei neu erfinden, sie entdeckt erneut ein akutes Demokratiedefizit, wie ein Audit über die Befindlichkeiten der Partei bestätigt. Erstarrt ist sie, weil sich während Jahrzehnten alles um eine Person drehte, undemokratisch, weil alles von einigen wenigen an der Spitze vorentschieden wurde. Der „Lider Máximo“ ist seit wenigen Monaten definitiv weg, die Partei muss sich wiederbeleben.
Dabei war die CSV auch bisher immer wieder zu Meinungsänderungen fähig, wenn es denn nicht mehr anders ging. Als das Land aufgeregt über die gesetzliche Regelung der Sterbehilfe diskutierte, war es der damalige Premierminister Jean-Claude Juncker, der die Aufhebung des Fraktionszwangs bei der CSV proklamierte.
Wohlwissend, dass eine Mehrheit in der Bevölkerung – und viele auch in der Partei – die Öffnung für ein Sterben in Würde befürwortete. Der eigenen Partei sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, auch in dieser Frage Bella Figura zu machen. Knapp zehn Jahre später war es wiederum ein CSV-Kultusminister, François Biltgen, der unter dem wachsenden gesellschaftlichen Druck die verstaubten Beziehungen Kirchen-Staat unter die Lupe nahm, ohne jedoch klare Perspektiven aufzuzeichnen.
Jetzt, in der Opposition, muss die CSV den Anpassungsprozess beschleunigen. Serge Wilmes, eines der exponierten Mitglieder der „Dräikinneks“-Gruppe, verkörpert derzeit dieses Streben nach beschleunigter Erneuerung. Wobei daran erinnert sei, dass diese parteiinterne Bewegung zwar einen originellen Namen trägt, sie als parteiinterne Fraktion jedoch auch für die CSV nichts Neues darstellt. Vor Jahren hatten sich Querdenker in der Partei im „Cercle Joseph Bech“ zusammengefunden, um Denkanstöße zu liefern.
Das C im Parteilogo stehe längst nicht mehr nur für „Christlich“, es stehe auch für „Choix“, für „Centrum“, meinte Wilmes am Samstag in einem RTL-Gespräch. Die Partei müsse in der Mitte der Gesellschaft stehen. Was wohl so zu verstehen ist, dass sie sich in die Gemütslage einer Mehrheit der Bevölkerung einfühlen, sich deren Vorstellungen aneignen und danach handeln muss. Die Zustimmung der CSV zur Abänderung von Artikel 22 der Verfassung über die Unterhaltspflicht des Staates gegenüber den Geistlichen ist damit der rezenteste Ausdruck dieses Politikverständnisses.
Die CSV ist eine ausgesprochene Anpassungskünstlerin. Nicht zufällig bezeichnete Wilmes die Veränderer nicht als Revoluzzer, sondern „Evoluzzer“. Man könnte getrost auch von politischem Opportunismus reden. Damit die Macht erhalten bleibt, oder, aktuell, in wenigen Jahren wieder in den eigenen Schoß zurückfällt. Die CSV ist eine Machtmaschine, eine visionäre Führungskraft sieht anders aus.
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