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Betrug am System

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Eine Reform der Pflegeversicherung steht an und bringt schon im Vorfeld mächtig Unruhe in den Sektor.

Abgesehen von den ebenso unnötigen wie falsch argumentierten, versuchten und gescheiterten Entlassungsabsichten des kongregationsnahen Pflegedienstes „Hëllef doheem“, die nicht in direktem Zusammenhang mit der Reform stehen, wollen gleich mehrere Seniorenheime mit einem prophylaktisch anmutenden Eifer die Preise heben.

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Dabei hat die im Sparplan der Regierung vorgesehene strengere Kontrolle der Ausgaben der Pflegeversicherung noch praktisch keine konkreten Auswirkungen auf die Einnahmen von Pflegediensten und CIPAs („Centres intégrés pour personnes âgées“). Da Mehrausgaben bei den Pflegeleistungen somit nicht als Grund der bis zu siebenprozentigen Hausse herhalten können, werden die sogenannten Hotellerieausgaben vorgeschoben; diese müssen von den Rentnern getragen werden und sind somit ein starker Eingriff in die wirtschaftliche Situation vieler alter Menschen.

Zwar kündigte Sozialminister Schneider bereits an, in Härtefällen könne der Solidaritätsfonds einspringen; bei vielen Pensionären werden die Mehrkosten allerdings ganz schlicht weniger Geld im Portemonnaie bedeuten.

Doch zurück zur Pflegeversicherung: Die Regierung beauftragte eine Privatgesellschaft damit, ein erstes Projekt zur Reform zu entwickeln, und prompt lieferte „Santé et prospectives S. à r.l.“ als Alternative zum aktuellen Modell den Vorschlag zur Einführung von Pflegestufen – eine Idee, die bereits bei Einführung der Pflegeversicherung unisono verworfen worden war.

Dabei hat sich das aktuelle System, das die individuellen Pflegebedürfnisse festlegt, eigentlich bewährt. Ein Vorteil ist die Transparenz: Die Pflegebedürfigen überblicken die ihnen zugestandenen Leistungen, bis hin zum Zeitaufwand, der für jede dieser Leistungen zur Verfügung steht. Ob die teuren Informatiksysteme, die von den Trägern angeschafft wurden, um Logistik und Buchhaltung effizient organisieren zu können, eine solch dramatische Umstellung des Systems schaffen, ist dabei nur eine der offenen Fragen.

Wieso eine grundlegende Reform eines funktionierenden Systems überhaupt notwendig ist, fragte dieser Tage auch die Patientenvertretung. Zwar gebe es Raum für Verbesserungen, so etwa im Bereich der Kontrolle und der Sanktionierung, an sich habe sich das System aber bewährt. Obwohl der Staat längst nicht mehr die ursprünglich versprochenen 45 Prozent der Kosten der Versicherung übernimmt, hat diese zurzeit noch 60 Millionen Reserven. Nur eine Million dieses Finanzpolsters kostete das vergangenen Bilanzjahr. Auch bei besseren Gehältern im Sektor wird das System also finanziell nicht gleich einbrechen.

Und ehe die Bürger durch höhere Beiträge weiter geschröpft werden, sollten jene Ärzte zur Ordnung gerufen werden, die sich in den Heimen quasi etabliert haben, sogenannte Rasteruntersuchungen durchführen (auch mal nur aufgrund des Patientendossiers), ihre Anfahrt möglichst oft berechnen und ausgiebig die Referenzarzt-Mehreinnahmen verrechnen, ohne, wie gesetzlich verlangt, ausführlich auf diese Patienten einzugehen.