Päckchen voller Bücher, die er an seine ersten Kunden verschickte. Schon damals mit dem Aufkleber Amazon drauf. Heute packt Jeff Bezos sicher keine Päckchen mehr. Vielmehr denkt er darüber nach, wie er seine Kunden noch glücklicher machen kann, mit noch billigeren Angeboten, noch schnellerer Lieferung und noch ausgeklügelteren Geschäftsmodellen.
" class="infobox_img" />Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu
Längst hat sich der größte Online-Buchhändler der Welt zum größten Online-Kaufhaus der Welt entwickelt. Zu den Büchern kamen schnell CDs und Filme hinzu, dann Kleidung, Küchengeräte, Kinderspielzeug, dann das Smartphone-Geschäft, das hauseigene Verlegen von Büchern und die Dienstleistungen – Babysitter und Handwerker zum Mieten etwa. An den AWS (Amazon Web Services), der Bereitstellung von Computerkapazitäten, wird kräftig gearbeitet, ebenso wie an einer E-Book-Flatrate. Nicht zu vergessen die Drohnen, mit denen die Päckchen noch schneller und effizienter zum Kunden gebracht werden sollen. Für die Größenordnung dieses Unternehmens, das immer die Zukunft im Blick hat und Gewinne sofort wieder in neue Geschäftsmodelle investiert, stößt Sprache an ihre Grenzen. Mega? Giga? Supra?
Schutz von Kulturgütern
Doch zu welchem Preis? Je größer Amazon wird und je weiter das Unternehmen sich ausbreitet, desto stärker wird auch die Kritik: der Protest gegen die Arbeitsbedingungen, vor allem die der Leiharbeiter in den Logistikzentren. Die Diskussion darüber, wo Amazon in Europa wie viel Steuern zahlt oder eben nicht – dank gewisser „sweetheart deals“ wie mit Luxemburg. Und dann ist da noch der seit der Digitalisierung immer wieder aufkochende und mit dem Freihandelsabkommen TTIP neu entflammte Streit um Buchpreise.
Das gute alte Buch. Hier bei uns – im Gegensatz zu den USA, China und seit wenigen Jahren auch der Schweiz – gibt es eine gesetzlich geregelte Buchpreisbindung. Das gleiche Buch muss überall gleich viel kosten. Noch. Hinter dieser Regelung steht die Überzeugung, dass ein Buch eben nicht nur eine Ware, sondern auch ein Kulturgut ist, das es zu schützen gilt.
Doch inwiefern ist an solchen Regelungen heute überhaupt noch festzuhalten? Die Digitalisierung ist da. Und mit ihr auch Flatrates für Kulturgüter. Für Musik und Filme sind sie mittlerweile Standard. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es sie auch für Bücher gibt. Anstatt zu jammern und zu klagen, liegt die große Herausforderung vielmehr darin, neue Konzepte zum Schutz von Kulturgütern zu entwickeln. Konzepte, die einerseits mit der Zeit gehen und andererseits marktregulierend sind. Oder ist das ein Paradox? Kann man den Markt heute nicht mehr regulieren? Will man nicht?
Die auf die Beseitigung staatlicher Regulierungen abzielenden Verhandlungen für ein Transatlantic Trade and Investment Partnership zwischen den USA und der EU jedenfalls versprechen in dieser Hinsicht nichts Gutes. Und auf Verständnis von Konzernen wie Amazon ist sicher auch nicht zu zählen. Denn wie wollte Bezos sein Unternehmen doch ursprünglich nennen? „Relentless“.
Unerbittlich, sich nicht umstimmen lassen, nicht nachgeben, sich im Verlauf nicht aufhalten lassen …
Was bleibt? Die Entscheidungen jedes Einzelnen. Und diese könnten summiert ganz schön viel beeinflussen: Sie fangen damit an, ein Buch beim Buchhändler um die Ecke zu bestellen und hören damit auf, sich zu informieren und der Frage, wie wir leben wollen, konsequent nachzugehen.
Kein Markt funktioniert ohne Konsumenten. Keine Demokratie kann ohne ihre Wähler bestehen. Und kein Schnäppchen macht langfristig glücklich.
(Janina Strötgen/Tageblatt.lu)
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