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EditorialWenn das Geld ruft: Über den Transfer von Liverpool-Spieler Jordan Henderson

Editorial / Wenn das Geld ruft: Über den Transfer von Liverpool-Spieler Jordan Henderson
Jordan Henderson wird in England nicht mehr als „Verbündeter“ angesehen Foto: AFP/Ali Alhaji

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Was sind die eigenen – löblichen – Überzeugungen noch wert, wenn es um das persönliche Bankkonto geht? Der ehemalige Liverpool-Kapitän Jordan Henderson erntet für seinen Transfer zum saudischen Team Al-Ettifaq seit Wochen massive (berechtigte) Kritik. Ausgerechnet ein Publikumsliebling, der jahrelang mit einer Regenbogen-Kapitänsbinde aufgelaufen ist, verdient sein Geld in Zukunft in einem Wüstenstaat, der Homosexualität streng verbietet und teilweise sogar mit dem Tod bestraft.

Wie scheinheilig war also dieser jahrelange Einsatz für die LGBTQ+-Rechte? Während zwölf Jahren spielte Henderson an der Anfield Road, ging als „Hendo“ in die Vereinsgeschichte ein. 2019 gewann er die Champions League, ein Jahr später wählte man ihn zum Fußballer des Jahres. Sein Kennzeichen: Farbige Schnürsenkel und eine gestreifte Kapitänsbinde, die er während Jahren als Verfechter für Menschenrechte ganz bewusst wählte. Aufgrund seines Engagements wurde er auch für den britischen LGBT-Award nominiert. Die Zürcher Blue News griff in der vergangenen Woche in diesem Zusammenhang ein Henderson-Zitat von 2019 auf: „Die kleingeistigen Idioten, die dir (wegen deiner sexuellen Orientierung, Anm. d. Red) ein schlechtes Gewissen machen, haben im Fußball nichts zu suchen. So einfach ist das“, sagte der Brite damals.

Ob der 33-Jährige dem Marketing-Team seines neuen Arbeitgebers dies Ende Juli auch so mitgeteilt hat? Bei seiner Präsentation wurden sämtliche Regenbogenfarben der vorhandenen Liverpool-Fotos digital „aufgebessert“ – und in schwarz-weiße Kapitänsbinden umgewandelt. „Er ist kein Verbündeter mehr“, ärgerte sich Mirror-Reporter Jacob Leeks. „Der Kapitän wählte das Geld eines Landes, das Leute wie mich wegen eines Menschen, den ich liebe, hinrichten würde.“ Die bekannte LGBTQ+-Fangruppe „Kop Outs“ beschrieb den Transfer als Flucht: „Er macht sich durch die Hintertür aus dem Staub, um dem Geld hinterherzujagen.“ 

Nach oben kennt man dort keine Grenzen. Die 800.000 Euro, die Henderson nun wöchentlich in Saudi-Arabien kassiert, sind nicht mal ein Bruchteil der Summe, die Al-Hilal dem brasilianischen Superstar Neymar angeboten haben soll: 160 Millionen Euro könnte der PSG-Profi über zwei Jahre verteilt verdienen (doppelt so viel wie beim PSG). Das sogenannte „Sportswashing“ der Saudis funktioniert: Cristiano Ronaldo oder Karim Benzema sind dem Ruf aus der Wüste bereits gefolgt und tragen mit ihrer Präsenz dazu bei, den Staat in ein anderes Licht zu rücken. Die Berichterstattung über deren Leben in Glanz und Glamour lenkt von den Menschenrechtsverletzungen außerhalb der Stadien ab. Das wird im Fall Henderson nicht anders gehandhabt werden. 

Grober J-P.
16. August 2023 - 9.12

"sind dem Ruf aus der Wüste bereits gefolgt" und hoffentlich bleiben die dort.