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Fußball40 Jahre Parallelwelt – Über Zusammenhalt, Vorurteile und eine verspätete Verschmelzung

Fußball / 40 Jahre Parallelwelt – Über Zusammenhalt, Vorurteile und eine verspätete Verschmelzung
Die allerersten portugiesischen Meister Luxemburgs von der União Juventude Portuguesa de Esch (UJP) im Jahr 1979 Foto: Privatarchiv

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„Heute ist vieles einfacher“: Roberto Borges, der 42-jährige Präsident der AS Rupensia Lusitanos Fels, brachte die besondere Geschichte des portugiesischen Fußballs in Luxemburg in vier Worten auf den Punkt. Paulo Bastos gehört derweil zu denjenigen, die die Anfangszeiten einer ungewöhnlichen Co-Existenz als Folge der Immigrationswelle miterlebten. Ein Rückblick auf rund 50 Jahre „Futebol Portugues no Luxemburgo“.

„Fußball ist etwas Besonderes. Er macht etwas mit dir, er berührt dich.“ Paulo Bastos blättert durch unzählige Fotoalben und zeigt auf Zeitungsausschnitte der 1980er-Jahre, während er von seiner Spielerkarriere in Ehleringen, Esch, Stade Düdelingen und später Sanem erzählt. „Vidrinhos“ („Gläser“) nannte man den flinken Brillenträger der União Juventude Portuguesa de Esch (UJP) damals, als er 1979 mit seinem Team die allererste Meisterschaft der portugiesischen Gemeinschaft in Luxemburg gewann. 

Die UJP, die in den gleichen Farben wie die Jeunesse antrat, gehörte zu den ersten der 28 Fußballvereine, die portugiesische Immigranten ab den 1960er-Jahren in Luxemburg gründeten. „Der Gedanke hinter diesen Gemeinschaften war, sich fernab der Heimat mit anderen Menschen zu treffen und sich über Gemeinsamkeiten auszutauschen. Sport, Musik oder insgesamt die Kultur sind nur einige Beispiele“, erklärt Jean Ketter, der den Schwerpunkt seiner Masterarbeit auf die Verbindungen von Immigration und Fußball gelegt hat (siehe Kasten). 

Die Rückseite der Lizenzen
Die Rückseite der Lizenzen Foto: Privatarchiv
So sah die Lizenz der FAPL-Spieler aus
So sah die Lizenz der FAPL-Spieler aus Foto: Privatarchiv

Es hatte demnach soziologische Gründe, warum viele Neuankömmlinge zunächst den Weg zu einer portugiesischen Gemeinschaft suchten – und nicht unbedingt den Bedarf sahen, sich einem Luxemburger Fußballklub anzuschließen. Zudem förderten die Einschränkungen des FLF-Regelwerks eine Integration nicht. „Einerseits suchte man damals aufgrund des Heimatgefühls eine Verbindung zu gleichgesinnten Menschen, die die gleiche Sprache sprachen. Zudem war nur eine bestimmte Anzahl an Ausländern pro Team erlaubt (drei, d.Red.)“, fuhr Ketter fort.

Stimmung, Zuschauer, Meisterfeier

Jean Ketter: Die Masterarbeit

Fast 50 Jahre hat es gedauert, bevor der Zusammenhang zwischen den drei Immigrationswellen und Fußball in Luxemburg erstmals wissenschaftlich untersucht wurde. An der Wichtigkeit des Themas, das von nationaler Bedeutung ist, gibt es keine Zweifel: Daher wurde die Masterarbeit „L’immigration dans le football luxembourgeois“ von Jean Ketter (unter der Leitung von Denis Scuto) 2017 auch als Buch auf den Markt gebracht.

Auch Bastos schwärmt 30 Jahre später noch immer von der Stimmung – sei es im Vereinscafé der rue Zenon Bernard oder bei den Liga-Spielen, die echte Publikumsmagneten waren. Allein in Esch gab es fünf portugiesische Vereine, die alle in unterschiedlichen Wirtshäusern beheimatet waren: Die União Mortaguense, OS Bairradinos, Torrense und Leixões Sport Club hatten beim fünffachen Meister UJP aber meist das Nachsehen. Während etwa beim OS Bracarenses (fusionierte später mit Cessingen zu CeBra) darauf bestanden wurde, dass die Spieler allesamt aus der Region Braga stammten, sah man das anderweitig lockerer. Luxemburg, Düdelingen, Differdingen, Fels, Mersch, Bettemburg, Petingen und Ettelbrück warne die anderen Städte, in denen Vereine entstanden. 2.200 Fußballer waren im Gründungsjahr eingeschrieben.

Über die Entstehung des Verbandes (1978) sowie die ersten Begegnungen berichtete damals Contacto. „Interesse in den anderen Medien gab es kaum, es war ein Parallel-Verband zu der FLF“, formulierte es Ketter. Über die Jahre hinweg wuchs allerdings der sportliche Anreiz. Einige Portugiesen, die in Zwischenzeit ebenfalls die Aufmerksamkeit von größeren Luxemburger Klubs geweckt hatten, standen sonntags teilweise zweimal auf dem Platz: zuerst zur „Primetime“ in der FLF-Meisterschaft und dann ab 19.00 Uhr noch mal in einer der beiden portugiesischen Ligen. Bastos wechselte 1984 mit zwei Mannschaftskollegen nach Düdelingen, T. Vieira und A. Sousa. „Dort habe ich dann meine erste Lizenz bekommen.“ Denn als er im März 1970 nach der aufreibenden Flucht aus Portugal als Achtjähriger in Luxemburg ankam, spielte er nur kurz in den Jugendteams in Ehleringen, bevor er sein Sprinttalent in den Leichtathletikkursen der CS Fola entdeckte. „Das hat mir danach enorm geholfen. Auf dem Flügel musste man damals nur sehr schnell laufen und flanken können, Defensivarbeit kannte man nicht“, lacht er. 

Wenn die Spieler der União Juventude Portuguesa de Esch (UJP) nach Deutschland reisten, um an Turnieren teilzunehmen, schickten sie meist den kleinen Paulo Bastos (2.v.r.) vor, um den Dolmetscher zu spielen
Wenn die Spieler der União Juventude Portuguesa de Esch (UJP) nach Deutschland reisten, um an Turnieren teilzunehmen, schickten sie meist den kleinen Paulo Bastos (2.v.r.) vor, um den Dolmetscher zu spielen Foto: Privatarchiv

Während Bastos demnach in die Nationaldivision wechselte, schlugen Luxemburger manchmal den umgekehrten Weg ein, um neben ihrer Meisterschaft noch vor den interessanten Kulissen der FAPL zu spielen. Gezahlt wurde auf die Hand. Es war aber nicht das einzige Detail, das die unkonventionellen Methoden der Anfangszeiten unterstrich: Da es sich um eine Gemeinschaft und nicht um einen strukturierten Sportverband handelte, waren die fehlenden Versicherungen der Spieler zunächst das große Manko der Liga. 

Das Geld kam von unterschiedlichen Seiten: Sponsoren, selbst Banken, zeigten großes Interesse an der portugiesischen Meisterschaft. „Wir haben viele Feste organisiert“, sagt Bastos. Für einen Sieg gab es damals 5.000 Franken, die auf den Kader aufgeteilt wurden. Die größte Ausgabe, welche die portugiesischen Klubs stemmen mussten, war allerdings logistischer Natur: Nur die wenigsten bekamen den Platz umsonst von den Gemeinden zur Verfügung gestellt. Die UJP zahlte Miete an den Ehleringer Verein: Zweimal pro Woche wurde trainiert und am Wochenende musste der Abpfiff der Lokalelf abgewartet werden, bevor die portugiesischen Teams auf das Feld durften.

Luxemburger Vereine stimmten gegen eine Aufnahme

Einerseits war es daher wohl der Konkurrenzgedanke bezüglich der Aufteilung der Fußballplätze, aber auch die Angst davor, gute Kicker zu verlieren, die Luxemburger Vereine bei der FLF-Generalversammlung drei Jahre in Folge gegen eine Aufnahme dreier portugiesischer Vereine stimmen ließ. In der Presse wurde das Thema Rassismus aufgegriffen, selbst Premierminister Jean-Claude Juncker forderte 1999 eine Einsicht der FLF-Klubs. Vergeblich. Der Verband pochte daher auf Fusionen. „Aber der portugiesische Name war nie vorne …“, fasst Bastos zusammen. 

2008, nach einer Verbandsänderung, endete das Kapitel des portugiesischen Fußballs in Luxemburg aufgrund von internen Streitigkeiten und einem Mangel an Spielern. „Heute haben die Menschen viel weniger dieses Bedürfnis, als eigene Gemeinschaft zusammenzukommen. Der Nachwuchs ist im Luxemburger Vereinsleben integriert. Selbst wenn die Immigration heute noch immer anhält, ist dieses Phänomen bei den jungen Leuten verschwunden“, sagt Ketter. Und demnach auch der Nachwuchs der portugiesischen Klubs in den 2000er-Jahren. 

Das beste Beispiel dafür kommt aus Fels. Roberto Borges ist 42 Jahre jung und seit Februar Präsident des Felser Fußballs. Der lange Name des Vereins setzt sich aus einer dieser von der FLF erhofften Fusionen von zwei Mannschaften zusammen, die immerhin 30 Jahre im gleichen Dorf aneinander vorbei lebten. Die Grupo Desportivo dos Lusitanos, die 1968 von portugiesischen Einwanderern gegründet wurde, ist erst drei Jahrzehnte später mit den „Einheimischen“ der Rupensia (gegründet 1935) verschmolzen. Und was 1970 schon richtig war, ist es heute noch immer: „Die Leute im Dorf sind noch immer sehr fußballverrückt. Das hat sich nie geändert.“

„Hoje, as coisas são muito mais simples“

Roberto Borges, 42 anos, resume assim a história particular do futebol português no Luxemburgo.

Paulo Bastos, é um dos que testemunha de uma convivência invulgar, fruto da vaga de imigração. Com a ­criação dos primeiros clubes de futebol português na década de 1960, foram cerca de 50 anos de „Futebol ­Português no Luxemburgo“, que levaram à criação de uma liga de futebol ­português, paralela à luxemburguesa. „Há razões sociológicas para que muitos recém-chegados procurem ­inicialmente juntar-se a uma comunidade portuguesa e não vejam necessariamente a necessidade de se associarem a um clube de futebol ­luxemburguês.“O campeonato português é finalmente dissolvido em 2008, cinco clubes fundem-se com os atuais clubes luxemburgueses fazendo parte integral da Federação Luxemburguesa de Futebol (FLF).

(Sandra Martins Pereira)

1968 

In Fels wird die Grupo Desportivo dos Lusitanos gegründet. Es handelt sich um den ersten portugiesischen Fußballklub in Luxemburg. Übrigens fusionierte dieser Klub exakt 30 Jahre später mit der AS Rupensia – und so entstand die AS Rupensia Lusitanos Fels. 

1978 

Am 16. Dezember wird die „Fédération des associations portugaises au Luxembourg“ (FAPL) gegründet und gleich eine erste portugiesische Fußballmeisterschaft in Luxemburg ausgetragen. 

1979

Die União Juventude Portuguesa de Esch gewinnt die erste Meisterschaft. Der Verein wird später noch viermal Meister werden. In den 90ern dominiert Benfica Luxemburgo. 

1997

Der erste Anlauf von drei portugiesischen Vereinen (Aguias Boavista Berchem, Benfica de Bereldange und Bracarenses Kopstal), die in der 3. Division der FLF aufgenommen werden wollten, scheitert. 

1999

Es kommt zu einem Politikum, das wochenlang in der Presse debattiert wird. Am 16. Juni 1999 entscheidet die Generalversammlung der FLF zum dritten Mal (371:297 Stimmen), die drei Klubs, die alle Kriterien erfüllt hatten, nicht aufzunehmen. Selbst Premierminister Jean-Claude Juncker hatte sich damals öffentlich für eine Aufnahme ausgesprochen.

2000

Aus der FAPL wird die „Liga de Futebol Portugues no Luxemburgo“. Wegen Streitigkeiten innerhalb der portugiesischen Gemeinschaft und mangelnder Nachwuchsspieler bröckelt das Gebilde immer mehr. 

2008 

Die portugiesische Meisterschaft wird endgültig aufgelöst, fünf Vereine fusionieren mit bestehenden Luxemburger Klubs.