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NachwuchsWarum U21-Nationaltrainer Dan Huet sich als „Dienstleister der A-Auswahl“ einstuft

Nachwuchs / Warum U21-Nationaltrainer Dan Huet sich als „Dienstleister der A-Auswahl“ einstuft
Mobiltelefon und iPad sind zu den ständigen Begleitern von Dan Huet geworden Foto: Editpress/Jeff Lahr

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Dan Huet ist zurück auf der Trainerbank – in komplett neuer Mission. Der 37-Jährige hat seit seiner Amtsübernahme im April auf ein konkretes Ziel hingearbeitet: Anfang September, zum Start der EM-Qualifikationskampagne in Nordirland, die beste U21-Nationalmannschaft auf den Rasen schicken zu können. Ein Gespräch über Herausforderungen und Charme eines Trainerpostens, der ihn nur an wenigen Tagen im Jahr auf den Platz führt.

Tageblatt: Im April haben Sie sich für die freigewordene Stelle des U21-Nationaltrainers beworben. Der Technische Direktor der FLF, Manuel Cardoni, hatte sich dazu entschieden, den Posten freizugeben. Was hat Sie dazu bewegt, Ihre Kandidatur einzureichen?

Dan Huet: Es war zwei Jahre her, seit ich zuletzt eine Mannschaft trainiert hatte. Im ersten Jahr nach dem Rücktritt beim FC Wiltz habe ich gar nichts gemacht, im zweiten Jahr hatte ich bereits ein paar Ausbildungskurse bei der FLF hier in Monnerich mit Kollegen geleitet. Es war also schon ein Kontakt vorhanden, zudem kannte ich das Haus ja bereits von meiner ersten Station hier als langjähriger Kadertrainer. Man stellt sich in so einem Moment die Frage: Was kommt eigentlich nach dem Heimatverein (Wiltz)? Es gab ein paar Optionen innerhalb der Liga, die ich aus verschiedenen Ursachen ausgeschlagen habe. Es waren schon ein paar attraktive Sachen dabei, deshalb musste ich mich fragen, was es noch Besseres geben könnte. Wenn man also so eine Möglichkeit hat, um mit jungen, talentierten Spielern zu arbeiten, muss man seine Chance nutzen. 

Wie sieht der Alltag eines U21-Nationaltrainers aus?

Die Spieler sehe ich eigentlich nur während der Lehrgänge. Ich schaue mir so oft es geht  Spiele an, ansonsten telefoniert man sehr, sehr viel. Bei denjenigen, die im Ausland sind, erkundigt man sich jede Woche nach der Spielzeit, dem Wohlbefinden. Man analysiert die Einsatzzeiten derjenigen, die in der BGL Ligue eingesetzt werden und zu den potenziellen Kandidaten gehören könnten. Es ist sehr viel organisatorische Arbeit, um mit den Spielern in Kontakt zu bleiben. Es ist nicht zu vergleichen mit den Aufgaben eines Vereinstrainers. Ich musste mich selbst ein wenig in das Ganze einarbeiten. Wie es dann während der acht oder zehn Tage der Kampagne ist, kann ich jetzt noch nicht sagen – das muss ich selbst überhaupt einmal erleben, um davon berichten zu können. Das Einzige, was zu diesem Zeitpunkt feststeht, ist, dass alles bis ins letzte Detail durchgetaktet ist.

Wie eng ist der Kontakt mit den Vereinstrainern?

Im Vorfeld der Kampagne haben wir einige der nationalen Klubs kontaktiert, um ein paar Spieler, die vom Alter und der Qualität her passen könnten, freistellen zu lassen. Wir wollten sie vor den Qualifikationsspielen beobachten und haben zwei Trainingseinheiten sowie ein Testspiel in Mönchengladbach organisiert. Sie sollten die Gelegenheit bekommen, sich zu zeigen. Wir sind froh, dass die Vereine praktisch alle mitgezogen haben. Ein paar Spieler sind ganz neu dabei gewesen und haben uns positiv überrascht. 

Warum haben Sie genau diese Herangehensweise gewählt?

Die Idee gab es schon vorher, allerdings waren zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt so viele U21-Spieler im Seniorenbereich zu sehen. Diesmal waren es 22 Spieler, die wir einbestellt haben. So viele gab es vor X Jahren nicht. Wir haben diejenigen, die im Ausland unter Vertrag stehen, bewusst nicht für diese Tests nominiert, da sich so ein Aufwand für drei Tage nicht gelohnt hätte. Hier ging es in erster Linie darum, uns einen Überblick der Kandidaten im Inland zu verschaffen. 

Wir sehen das perspektivisch: Wenn die Perspektive für einen talentierten, jüngeren Spieler größer ist, werden wir ihn dem älteren vorziehen. Wir wollen Spieler, die uns in Zukunft weiterhelfen können. 

Wie viele Spieler stehen denn für den U21-Jahrgang zur Verfügung?

Wenn ich diejenigen dazuzähle, die derzeit mit der A-Nationalelf unterwegs sind, sowie alle, die wir zum Testtraining eingeladen hatten, sind es ungefähr 50 Spieler, die man auf dem Schirm hat. Natürlich gibt es einige, bei denen es konkreter ist als bei anderen. Es sind vielleicht ein paar dabei, die noch jünger sind und für die U19 nominiert werden könnten, aber irgendwann trotzdem für uns infrage kommen. Wir sehen das perspektivisch: Wenn die Perspektive für einen talentierten, jüngeren Spieler größer ist, werden wir ihn dem älteren vorziehen. Wir wollen Spieler, die uns in Zukunft weiterhelfen können. 

Ist diese Zahl von rund 50 Spielern optimal?

Ich denke schon. Ohnehin reduziert es sich ja während der Kampagne auf 20. Ich denke aber, dass ich gerade als neuer Trainer ein großes Sichtfeld haben muss. Wenn man die Spieler mehrfach gesehen hat, mit ihnen gearbeitet und gesprochen hat, weiß man auch mehr über ihr Niveau. Man weiß nie, was morgen ist. Jemandem zu früh die Tür zu verschließen, bringt nichts. Ich denke schon, dass es sich mit der Zeit wie ein Trichter zusammenziehen wird. In zwei Jahren fängt das Spiel von vorne an, wenn die neuen Jahrgänge zu uns stoßen. Deshalb werden jetzt auch schon konkret die Perspektivspieler der U19 spezifisch ins Sichtfeld der U19 aufgenommen.

Wir haben bei unseren Statistiken festgestellt, dass wenig U21-Spieler in der BGL Ligue Spielzeit bekommen. Nur vier der 19 Feldspieler, die wir zum Probetraining eingeladen hatten, waren am vierten Spieltag über 30 Minuten auf dem Platz. Bei den andern 15 lag der Großteil unter fünf Minuten. Das ist die Schwierigkeit für uns, das Niveau zu erkennen.

Welche sind die größten Herausforderungen, mit denen man bei der U21 konfrontiert ist?

Die größte Herausforderung ist – obschon wir als Mannschaft auftreten werden und um Punkte kämpfen –, dass unser Ziel als Trainerteam und Spieler sein muss, Leute so weiterzuentwickeln, dass sie irgendwann einmal eine Option für die A-Mannschaft sein werden. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir der Dienstleister der A-Elf sind. Es ist unsere Aufgabe, die Spieler individuell so weiterzuentwickeln, um sie dorthin zu bekommen. 

Wir haben bei unseren Statistiken festgestellt, dass wenig U21-Spieler in der BGL Ligue Spielzeit bekommen. Nur vier der 19 Feldspieler, die wir zum Probetraining eingeladen hatten, waren am vierten Spieltag über 30 Minuten auf dem Platz. Bei den andern 15 lag der Großteil unter fünf Minuten. Es ist absolut kein Vorwurf an die Vereine. Ich war ja selbst BGL-Ligue-Trainer und bin mir der Herausforderung bewusst, junge Spieler mit Spielzeit zu belohnen. Um einen Spieler bestmöglich bewerten zu können, ist der Kontakt mit den Vereinstrainern unumgänglich.

Sehen Sie sich selbst noch als Ausbilder?

Ja, natürlich. Wenn man nur zehn Tage zusammen ist, während deren man zwei Länderspiele bestreitet, sieht die Ausbildung nur etwas anders aus. Es ist ein punktuelles Hinarbeiten auf ein Ziel. Man muss abwägen, wie intensiv das Wochenende der Spieler war, bevor sie im Trainingslager ankommen. Die einen müssen physisch auf das Level hochgebracht werden, andere brauchen Erholung, um am entscheidenden Tag in Bestform zu sein. Wenn man mit jungen Spielern arbeitet, stehen Ausbildung und Entwicklung immer an vorderster Stelle um das individuelle Potential auszuschöpfen.

Sie haben von den zahlreichen Telefonaten mit den Spielern erzählt. Was sind denn die Hauptsorgen eines 19- oder 20-jährigen Fußballspielers?

Die Spielzeit. Jeder will auf höchstem Niveau so viel wie möglich spielen. Da gibt es dann einige, die bei ihrem ehemaligen Klub mehr Minuten sammeln konnten, als das dann nach einem Wechsel der Fall ist. Diese Entscheidung zu treffen, ist nicht einfach. Natürlich wird man auch manchmal um Rat gefragt, aber es ist nicht meine Rolle, einem jungen Spieler zu sagen, ob oder wohin er wechseln soll. Man kann den Spieler nur auf die Wichtigkeit der Einsatzzeiten aufmerksam machen, da er in Hinblick auf seine Entwicklung und die damit verbundene Möglichkeit eine Nominierung für die U21- oder A-Nationalmannschaft deutlich erhöht.

Was macht den Charme des Jahrgangs aus, um den Sie sich kümmern?

Ich zähle mich zu denjenigen, die sich in einem professionellen Milieu bewegen, obwohl ich das nicht hauptberuflich tue. Man hat es mit Jungs zu tun, die mittlerweile im Ausland unterwegs sind und ihr Leben nach dem Fußball ausgerichtet haben. Es ist und bleibt die Vor-Etappe der Nationalmannschaft. Ich habe selbst schon ein paar Jahre der Fußballschule miterlebt und danach ein BGL-Ligue-Team übernommen. Es ist alles noch ein Tick professioneller. Man kann eine Kampagne auf allerhöchstem Niveau bestreiten – wie diesmal u.a. mit Länderspielen gegen den amtierenden Europameister England. Das muss Spieler und Trainer einfach reizen. 

Wie oft stehen Sie noch auf dem Rasen?

Der U21-Bereich ist mein Hauptaufgabenfeld. Ich bin aber ebenfalls zweimal die Woche in der Fußballschule tätig, als Co-Trainer der U16. Wenn ich nicht vor Ort sein kann, springt ein Kollege ein. Das ermöglicht mir schon jetzt, die Jungs an der Basis zu beobachten, die hoffentlich irgendwann Teil der U21 sein werden. Zudem läuft man hier in Monnerich ja Personen über den Weg, mit denen man sich regelmäßig austauschen will – sei es der Nationaltrainer, Mario Mutsch (U19), Manuel Cardoni (DTN) oder Claude Campos (U21-Co-Trainer) … Das sind die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, um über Organisatorisches oder Sportliches zu sprechen. 

Wie würden Sie die Philosophie beschreiben, nach der aktuell im FLF-Jugendbereich bis hin zur U21 gearbeitet wird?

Das, was man schon ganz klar bei der A-Nationalelf erkennt, sieht man auch in der Fußballschule: Wir wollen Fußball spielen. Wir sind nicht mehr diejenigen, die sich verstecken wollen. Etwas mit dem Ball zu erreichen, ist im ersten Spiel gegen Nordirland wohl machbarer als vier Tage später gegen England … Wir wollen von den Qualitäten der Spieler profitieren. Es sind viele gute Spieler dabei. Wir waren überrascht vom Talent derjenigen, die im Test dabei waren. Es werden also auch ein paar schöne Pässe nach vorne gespielt werden können und wir nicht unbedingt nur auf die Defensive ausgerichtet sein, die jedoch selbstverständlich unumgänglich werden wird. Wir wollen die Philosophie des Fußballspielens fortsetzen, sofern das im Hinblick auf den Gegner möglich ist. 

Erst Nordirland, dann England – was erwartet Sie und die „Roten Löwen“ zum Auftakt der EM-Qualifikation?

Es ist momentan noch schwer, das zu analysieren. Bei der U21 tritt jedes Mal ein komplett neuer Kader an. Man muss sich also eher auf die Werte der letzten U19 berufen. Jetzt hat Nordirland erst vor zwei Wochen einen neuen U21-Trainer präsentiert. Das ist also eine totale Unbekannte. Es ist ein wenig wie bei uns: Ihre besten Talente sind bei der A-Auswahl. Man kennt zwar das bevorzugte System des Coachs, man weiß über einzelne Individualitäten Bescheid, aber trotzdem ist vieles neu. Wir können uns jedoch darauf einstellen, dass es ein robuster, physischer Gegner ist, der die Zweikämpfe annehmen wird. Das sind die Qualitäten, die sie schon immer ausgezeichnet haben. Darauf müssen wir uns einstellen. Wir werden wohl mehr Ballbesitz haben als vier Tage später gegen England. Es wird sicherlich Umschaltmomente geben, die wir nutzen müssen.

Was ist das Ziel, das man sich trotz der Ungewissheiten setzt?

Nach dem ersten Duell kann man sich anders auf den Rest der Kampagne vorbereiten. Wenn wir gegen England antreten, können wir auf die Informationen ihres ersten Spiels zurückgreifen: Dann ist auch klar, wer im Kader steht und wie die Mannschaft auftritt. Es gibt logischerweise Nationen, gegen die man sich mehr ausrechnet als gegen andere – dazu zähle ich Nordirland und Aserbaidschan. Da haben wir halt mehr Chancen, den einen oder anderen Punkt zu bekommen, als beispielsweise gegen England – auch wenn Überraschungen bekanntlich nie ausgeschlossen sind. Und um mehr Chancen auf ein gutes Ergebnis zu haben, müssen wir guten und effizienten Fußball zeigen – sowohl mit als auch ohne Ball.

Im Überblick

U21-EM-Qualifikation, Gruppe F: 

Der Fahrplan:
1. Spieltag:

Am 7. September um 15.00 Uhr: Nordirland – Luxemburg
2. Spieltag: 
Am 11. September um 18.00 Uhr in Differdingen: Luxemburg – England
3. Spieltag:
Am 12. Oktober: Luxemburg – Ukraine
4. Spieltag:
Am 17. Oktober: Aserbaidschan – Luxemburg
5. Spieltag: 
Am 17. November: Ukraine – Luxemburg
6. Spieltag: 
Am 21. November: Serbien – Luxemburg
7. Spieltag:
Am 22. März 2024: Luxemburg – Serbien
8. Spieltag:
Am 26. März 2024: England – Luxemburg
9. Spieltag: 
Am 6. September 2024: Luxemburg – Aserbaidschan
10. Spieltag:
Am 15. Oktober 2024: Luxemburg – Nordirland

Das U21-Aufgebot

Torhüter: Hugo do Rego (FC Rouen 1889/F), Eldin Latik (Niederkorn)
Verteidigung: Massimo Agostinelli, Clayton Irigoyen (beide 1. FC Nürnberg/D), Dylan Cardoso (Hesperingen), Fabio Lohei (FC Metz/F), Noah Rossler (Wiltz), Fränz Sinner (vereinslos), Yohann Torres (VfB Stuttgart/D)
Mittelfeld: Hugo Afonso (Karlsruher SC/D), Fabio Cerqueira (Fola), Ivan Englaro, Miguel Fernandes (beide Düdelingen), Irvin Latic (Jeunesse), Diogo Monteiro (Termoli Calcio 1920/I), William Viegas (Acireale Calcio/I)
Angriff: Lucas Correia (Hesperingen), Eric Preljevic (Rudar Velenje/SLO), James Rodrigues (FC Venezia/I), Selim Turping (Borussia Mönchengladbach/D)

Steckbrief

Dan Huet
Geboren am
 18. Juli 1986 
Trainerlizenz: UEFA-A-Lizenz
Bisherige Trainerposten: U16-Trainer bei der FLF, FC Wiltz 71 (2016-2021), im April zum U21-Nationaltrainer ernannt worden

U21-Europameister

2023: England
2021: Deutschland
2019: Spanien
2017: Deutschland
2015: Schweden
2013: Spanien
2011: Spanien
2009: Deutschland
2007: Niederlande
2006: Niederlande
2004: Italien
2002: Tschechien
2000: Italien