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PolenSchwierige Kohabitation der neuen Regierung mit dem Staatspräsidenten

Polen / Schwierige Kohabitation der neuen Regierung mit dem Staatspräsidenten
Geradezu vergnügt zeigte sich Polens Präsident Andrzej Duda (l.), als er die Amtsgeschäfte auf den neuen Regierungschef Donald Tusk übertrug Foto: Wojtek Radwanski/AFP

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In Polen ist der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk als neuer Ministerpräsident vereidigt worden und der Wechsel zu einer pro-europäischen Regierung damit vollzogen.

Andrzej Duda gibt sich die letzten Tage betont konziliant. „Ich will mit euch allen zusammenarbeiten“, versicherte Polens Staatspräsident am Mittwoch während der Vereidigung der 25 Minister der neuen Mitte-links-Regierung unter dem liberalen Donald Tusk. Der Staatspräsident, der laut polnischer Verfassung ein wichtiges Wort bei der Außen- und Sicherheitspolitik sowie auch in der Justiz mitreden kann, hat dabei keine einfache Aufgabe. Politisch verpflichtet fühlt er sich seinem Mentor Jaroslaw Kaczynski, dem neuen Oppositionsführer. Acht Jahre lang hat er fast alle auch noch so umstrittenen Gesetze der rechtspopulistischen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) unterschrieben und kaum je sein Vetorecht gebraucht. Doch nun haben sich die Machtverhältnisse in Polen radikal verändert.

Das neue Kabinett mit mehreren links-liberalen Galionsfiguren hatte am späten Dienstagabend die Vertrauensabstimmung im Sejm klar gewonnen. Wie schon für den Regierungsauftrag an Tusk stimmten 248 für und 201 Abgeordnete gegen die neue Regierung. Zuvor war es im Sejm zu einem antisemitischen Zwischenfall gekommen. Der bekannte Skandalist Grzegorz Braun von der rechtsextremen „Konföderation“ bespritzte Chanukka-Lichter mit einem Feuerlöscher und verletzte Teilnehmer der jüdischen Feier. Die schändliche Aktion vermochte indes, wenn auch nur für kurze Zeit, das politisch tief gespaltene Parlament in Betroffenheit zu vereinen. Nur Kaczynski, nicht jedoch seine PiS, versuchte auch noch, daraus politisches Kapital zu schlagen und schwadronierte von angeblich von der neuen Regierungskoalition unterstützten Angriffen auf katholische Kirchen und Rituale, weshalb er Sejm-Präsident Szymon Holownia („Dritter Weg“) abberufen wollte.

Duda zeigt guten Willen

Duda kam am Mittwoch bei der Vereidigungsfeier nicht mehr auf den Zwischenfall zurück, der Polens Ansehen in der Welt wie bereits 2015-23 viele PiS-Gesetze gefährdet. Der Staatspräsident rang sich stattdessen zu einem nur noch lauen Bekenntnis zu Polens EU-Mitgliedschaft durch, eine künftige Stoßrichtung der EU-skeptischen PiS als Oppositionspartei. „Es geht mir in erster Linie um Polens Überleben als souveräne Republik auf der Karte Europas“, unterstrich Duda am Mittwoch vor Tusks Ministern. Für dieses Ziel sei er gerne bereit, mit Tusks „Ministern im Präsidentenpalast zusammenzusitzen und zu diskutieren“, versuchte Duda, guten Willen zu zeigen. Da seine zweite Amtszeit im Sommer 2025 endet, ist Duda eigentlich nicht mehr auf die PiS-Unterstützung angewiesen. Dennoch hat er bereits mit seinem Veto gedroht, wenn immer die „Errungenschaften von acht Jahren PiS-Herrschaft“ gefährdet seien.

Gleich nach der Vereidigung begab sich Tusk zum EU-Gipfel in Brüssel. In Warschau machten sich seine Minister daran, die Amtsübergabe mit einem Lächeln auf den Lippen über die Bühne zu bringen. Am schwierigsten hatten es dabei Wladyslaw Kosiniak-Kamysz vom „Dritten Weg“ (insgesamt acht Minister) als Verteidigungs- und die 39-jährige Agnieszka Dziemanowicz-Bak (neue Linke, drei Minister) als Sozialministerin. Sie mussten sich extralange Warn- und Mahnreden ihrer PiS-Vorgänger anhören.