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EditorialKrieg der Welten, Leid der Menschen

Editorial / Krieg der Welten, Leid der Menschen
Israelische Leuchtraketen über dem Gazastreifen: Dass aus dieser Hölle auf Erden, die sich seit vier Wochen abspielt, eine Chance für die Überwindung des Nahostkonflikts entstehen könnte, fällt schwer zu glauben Foto: AFP/Aris Messinis

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Einen Monat ist es her, dass Hamas-Terroristen in Israel einfielen und 1.400 Menschen bestialisch ermordeten, darunter Frauen, Kinder, alte Menschen, sogar Holocaust-Überlebende. Ein unvorstellbarer Akt der Barbarei. Und doch seit vier Wochen Teil der Wirklichkeit, in der wir leben.

Seitdem schießt Israel zurück und rückt inzwischen in den Gazastreifen vor. Die von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden im Gazastreifen meldeten am Montag, dass die Schwelle der 10.000 Todesopfer durch die israelischen Bombardements überschritten wurde. Auch hier traf es vor allem Frauen und Kinder. Überprüfbar sind diese Angaben nicht, die Hamas hat in der Vergangenheit bereits mit falschen Zahlen um sich geworfen und versteckt ihre Waffen und ihre Leute in Tunneln unter ziviler Infrastruktur wie Schulen und Krankenhäusern. Das ist ein Kriegsverbrechen. Ein Kriegsverbrechen ist auch, Zivilisten zu töten, wie Israel das gerade tut. 

Darf Israel das? Darf Israel derart viele Menschenleben nehmen, derart viele tote Kinder in Kauf nehmen, um die Hamas, die zerstört gehört, auszulöschen? Es sind Fragen, die die Welt weiter entzweien und die Gräben noch tiefer und breiter werden lassen, die der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine bereits bloßlegte.

Russland, China, die Türkei, weite Teile des Globalen Südens stehen hinter den Palästinensern. Vormachen muss man sich da nichts, geopolitische sowie zum Teil auch innenpolitische Machtinteressen stehen im Mittelpunkt und nicht die Nächstenliebe zum palästinensischen Volk. Die USA versuchen ihren Einfluss auf Israel weiter geltend zu machen und müssen sich nach der Ukraine um einen zweiten Konflikt kümmern. Die Spaltung der Welt macht auch vor der Europäischen Union nicht halt. Von einer gemeinsamen Position in dem Konflikt ist man meilenweit entfernt. Eine weitere Schwächung für die Europäer.

Antisemitismus und rassistische Islamophobie brechen sich wieder Bahn. Europa und Luxemburg bilden keine Ausnahme. Die Angst vor Terror nimmt wieder zu. Neben dem Krieg auf dem Boden findet ein Kampf um die Köpfe und die Herzen der Menschen dieser Welt statt. Seit einem Monat hat dieser Krieg der Welten eine neue Schwelle hinter sich gelassen. Seit einem Monat sind Menschenleben noch einmal weniger wert geworden.

Nochmal die Frage: Darf Israel das? Und jetzt die Antwort hinterher: Nein, Israel darf das nicht. Weil niemand auf der Welt das darf. Niemand darf Zivilisten bombardieren – es muss inakzeptabel bleiben, dass solche Schritte legitim werden. Der Wert des menschlichen Lebens wird damit negiert. Genauso ist der Kampf der Hamas kein Befreiungskampf, sondern reinster Terror. Das einst säkular unterfütterte Streben der Palästinenser nach Freiheit und einem eigenen Staat ist ein islamistischer Kampf geworden. Aus den einst progressiven Regierungen Israels ist eine rechtsradikale geworden. Es ist auch der Fluch der Religionen, der jetzt Tausende sinnlose Tode sterben lässt.

Die Menschen in Israel und im Gazastreifen sind zwischen Hammer und Amboss gefangen. Zwischen Rechtsradikalen und Terroristen, die die Flamme des Humanismus ersticken wollen, weil sie die Legitimation ihrer Macht darin gründen, den jeweils anderen verschwinden beziehungsweise nicht frei werden zu lassen.

Es ist die Logik des Krieges, dass es kein Erbarmen gibt, dass nicht das Leben zählt, sondern die Vernichtung von Leben. So schreitet die Entmenschlichung voran, und die Welt driftet immer mehr in dunkle Gefilde ab.
Dass aus dieser Hölle auf Erden, die sich seit vier Wochen abspielt, eine Chance für die Überwindung des Nahostkonflikts entstehen könnte, fällt schwer zu glauben. Der einzige Weg, der dazu führen kann, ist längst bekannt, ohne einen Staat für die Palästinenser wird niemals Ruhe einkehren. Aber wie soll jetzt, nach all diesem Grauen, gelingen, was selbst zu besseren Zeiten unerreichbar schien?