Mit dem Beginn des neuen Schuljahres erwacht auch die nationale Politik aus dem Sommerschlaf. Bei den Abgeordneten sind wieder Kommissions-Sitzungen angesagt. Das Plenum kann noch warten. Doch anstatt anständige Gesetze vorzubereiten, gefallen einige Abgeordnete der Opposition sich darin, die gleichen ollen Kamellen zu lutschen.
Von Robert Goebbels (ehemaliges Regierungsmitglied und früherer Europaabgeordneter)
Es geht um die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit“, verkünden die Abgeordneten Mosar und Roth bei ihrem Versuch, die „Casier-Debatte“ neu aufzurollen. Prinzipien sind sehr wertvoll. Wie der ehemalige belgische Parlamentspräsident Herman De Croo zu sagen pflegte, muss man Prinzipien hochhalten, so hoch, dass man notfalls darunter hindurchkommt.
Doch lassen wir die Ironie. Der Schutz der Privatsphäre und der bürgerlichen Rechte ist selbstverständlich wesentlich. Bloß, dass in der Welt der Daten die hehren Prinzipien immer weniger helfen.
Datenbanken und Technologie
Die Politik rennt seit Jahren der technischen Evolution hinterher. Mit alten Rechtsprinzipien versucht sie die digitale Entwicklung einzugrenzen. Was angesichts der unbegrenzten Möglichkeiten der Welt von Internet, künstlicher Intelligenz und Co. immer weniger gelingt. Daten, einmal gespeichert, sind kaum noch zu löschen. Auch kommt unsere Gesellschaft nicht mehr ohne Datenbanken aus. Niemand kontestiert eigentlich, dass Polizei und Justiz Datenbanken anlegen, die der Strafverhütung oder -Verfolgung dienen. Daher wurden die jetzt umkämpften „Casiers“ regelmäßig von allen CSV- wie LSAP-Minister für Justiz oder Innere Sicherheit genehmigt.
Dass nunmehr der bedauernswerte Felix Braz und der genauso wenig „schuldige“ François Bausch in der Schusslinie der vereinigten Opposition stehen, ist die Konsequenz der Übernahme von Regierungs-“Verantwortung“ durch die Grünen. Jeder Minister muss geradestehen für alle Fehler, Unzulänglichkeiten, ja Dummheiten der ihm unterstellten Ministerien und Verwaltungen.
Schludriger Umgang
Dennoch macht es sich die Opposition zu einfach mit ihren endlosen Fragen und Kritiken. Der Gesetzgeber sind die Abgeordneten. Alex Bodry hatte somit völlig recht, als er bei einer „Casier“-Debatte im Plenum anregte, das Parlament sollte seine Verantwortung übernehmen und selbst einen Gesetzestext erarbeiten, welcher die Schatten und Mängel der derzeitigen Handhabung der Datenschutz-Direktive durch Polizei und Justiz beheben würde.
Denn hier liegt die Crux. Unser Staat, allen voran Regierung und Abgeordnete, arbeiten sehr schludrig bei der Umsetzung von europäischen Direktiven. Die sich ihrerseits zu oft auf der hohen Ebene der Prinzipien bewegen und sich wenig mit deren konkreten Umsetzung befassen.
Auch Gesetzgeber dürfen mitdenken
Das Datenschutzpaket wurde 2015 ausgerechnet unter luxemburgischem Vorsitz der EU angenommen. Die damalige Regierung feierte sich für ihre Großtat, unterließ es aber, diese europäische Richtlinie rechtzeitig in die nationale Realität umzusetzen. Vor dem letzten Wahlgang wurde die Direktive noch hurtig von den Abgeordneten durchgewunken, übrigens mit den Stimmen der oppositionellen CSV.
Wie üblich begnügten sich Regierung und Parlament mit einer quasi wörtlichen Übernahme der EU-Vorlage, ohne sich irgendwelche Gedanken zu machen über die Auswirkungen der großen rechtsstaatlichen Prinzipien auf die Realität der bestehenden Datenbanken. Ohne die kein moderner Staat mehr auskommen kann.
Abgeordnete lesen Texte häufig nicht
Die unbequeme Wahrheit ist, dass unsere Abgeordnete Texte verabschieden, die sie oft nicht gelesen haben! Besonders, wenn es sich um europäische Direktiven oder internationale Abkommen handelt. Zu viele Abgeordnete begnügen sich damit, „intelligente“ bis „dämliche“ Fragen über alles und nichts an die Regierung zu richten. 4.000 waren es im letzten Jahr.
Zählt man noch die „Aktualitäts“-Debatten über Hinz und Kunz hinzu, verbleibt wenig Zeit für die eigentliche „Gesetzgebung“. Wobei bei den Debatten über neue Gesetze selbst einige Berichterstatter und manche intervenierende Abgeordneten sich öfters damit begnügen, von fleißigen Mitarbeitern „gestrickte“ Reden zu verlesen.
Ego-Striptease dank Facebook und Co.
Dieser Schludrigkeit des Gesetzgebers verdanken wir viele Texte, die praktisch nicht in die reale Welt umzusetzen sind. Das ist nicht nur beim Datenschutz der Fall. Nebenbei darf man sich fragen, was manche hehre Absichten dem Bürger an wirklichem Schutz bringen. Viele Mitbürger enthüllen mit Wollust ihre „geschützte“ Intimsphäre in den so unpassend benannten „sozialen Medien“. Zu diesem permanenten Ego-Striptease gehören die Selfies, die Geolokalisierung und alle Gadgets von Google, Apple, Facebook und Co.
Jeder, der ein Smartphone mit sich führt, kann auf den Meter genau lokalisiert werden. Es wird gespeichert, wann er wo war und was er eventuell über sein Handy bezahlt hat. Wer in Verbindung mit den Internet-Giganten tritt, wird dank der „Vorsorge“ des Gesetzgebers nunmehr höflich befragt, ob er mit der Geschäftspolitik des Anbieters und dessen „Cookies“ einverstanden sei. Angeboten werden sogar mehrere Seiten unlesbare Geschäftsbedingungen. Die man ablehnen kann. Womit man sich vom Angebot abschneidet. Deshalb sagen die meisten Daten-Benutzer lieber „Ja und Amen“ zu selbst zwielichtigen Geschäftsbedingungen.
Verkorkste Situationen
Die „Prinzipien treuen“ Schutzmaßnahmen des Gesetzgebers legen nicht nur allen Verwaltungen kaum einzuhaltende Obligationen auf. Auch die Privatwirtschaft und selbst gemeinnützige Vereinigungen müssen kostspielige Vorkehrungen zum Schutz der „Privatsphäre“ ihrer Kunden treffen.
Das führt zu solch verkorksten Situationen, dass die Zeitungen beispielsweise die Examensresultate nicht mehr veröffentlichen dürfen. Oder dass Rotes Kreuz oder Caritas sich die Frage stellen, ob sie der Familie eines Verstorbenen noch die Namen der Mitmenschen mitteilen dürfen, welche dem Toten durch eine Spende gedachten.
Fragen über die Pertinenz mancher Gesetze
Schlechte Gesetzgebung steht auch im Hintergrund des „Skandals“ um den grünen Differdinger „député-maire“ Roberto Traversini. Dieser verstieß klar gegen das von ihm mitgetragene Naturschutzgesetz von 2018. Er ließ Arbeiten zum Umbau eines geerbten Hauses im Grünen „illegal“ ausführen. Das „Chalet“ liegt außerhalb des Bauperimeters in einer „Natura 2000“-Zone. In diesem Naturschutzgebiet ließ der inzwischen zurückgetretene grüne Bürgermeister einige fünf Kubikmeter Erde bewegen, zwei Bäume und einige Hecken entfernen, ohne im Besitz der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Genehmigungen zu sein.
Darüber darf man sich tugendhaft aufregen und darauf pochen, dass niemand, und schon gar nicht ein aktiver Gesetzgeber, das Gesetz ignorieren darf. Die wahre Frage, der sich gerade die grünen Parteikollegen des Abgeordneten Traversini stellen müssten, ist diejenige über die Pertinenz mancher Gesetze. Nicht nur zum Datenschutz. Auch und gerade zum Naturschutz.
Unübersichtliche Naturgesetzgebung
Auch wenn die „Natur“ nunmehr verklärt und heiliggesprochen wird, sei dennoch die Frage erlaubt, ob das Gesetz von Juli 2018 nicht über das Ziel hinausgeschossen ist. Das Gesetz, so dick wie das Neue Testament, umfasst hunderte von Paragrafen. Darunter Artikel 537, welcher für das „böswillige“ Fällen von Bäumen bis zu 1.000 Euro Geldstrafe und bis zu 3 Monaten Gefängnis vorsieht. Wohlgemerkt pro Baum!
Genehmigungspflichtig ist eigentlich alles, was mit der Natur in Berührung kommt. Eine Riesenbürokratie ist im Aufbau. Mit der total unübersichtlichen Naturgesetzgebung stehen praktisch alle Bauern und Grünland-Besitzer permanent mit einem Fuß im Gefängnis.
Der erste Regierungsrat im Umweltministerium erklärte dem „Land“, pro Jahr müsste – nebst einer unbekannten Dunkelziffer – das Ministerium über 3.000 Gesuche bearbeiten. Die zu 95% binnen 3 Monaten beantwortet würden.
Mehr Bürokratie
Doch Umweltministerin Carole Dieschbourg bediente ihren Parteifreund Traversini in einem dicken Monat. Die nachträglich eingereichte, auf den 9. Juli datierte Anfrage zur Genehmigung der Arbeiten am Gartenhäuschen wurde trotz Ferienzeit schon am 12. August erteilt.
Manch andere Gemeindeväter, die mit sozialen Bauvorhaben in ihren Gemeinden an den Einsprüchen der gestrengen Umweltministerin scheitern, würden sich die gleiche Kulanz für öffentliche Bauarbeiten im Grünen erwarten. Hauptproblem bleibt jedoch, dass unser Parlament mit hehren Ansprüchen immer öfters schlechte Gesetze beschließt. Die nur zu mehr Bürokratie führen und über die selbst Abgeordnete und Minister stolpern.
Demnach werden wir wohl oder übel ein Abgeordnetenabitur einführen müssen. Und nicht jeder Jemp oder Pier eignet sich zum Abgeordneten, nur weil er studiert, ein Hochschuldiplom oder einen Akademikertitel hat.
Ein/e Volksvertreter/in sollte vor allem über eine gute Portion gesunden Menschenverstandes verfügen und integer sein! Allzu viele wissen über recht wenig Bescheid und glauben doch, überall ein Wörtchen mitreden zu müssen, zu können, zu dürfen. Sogar bekannte Anwälte, die ohne ihre dicken Bücher auch nicht alle Gesetzestexte kennen und interpretieren könnten. Und was die Wahlen anbelangt, so kann jeder Wähler entscheiden, welcher Kandidat die nötigen Voraussetzungen mitbringt, um ihn und seine Interessen im Parlament zu vertreten. Oder müssten die Wähler/innen etwa auch ein Tauglichkeitszeugnis im Wahlbüro vorzeigen, um überhaupt ihre Stimme abgeben zu dürfen? Übrigens, Freundlichkeit und gute Manieren, Respekt und Rücksichtsnahme schaden in keinem Fall.
" Zu viele Abgeordnete begnügen sich damit, „intelligente“ bis „dämliche“ Fragen über alles und nichts an die Regierung zu richten. " ....und viele lesen die Texte nicht einmal. Genau da liegt das Problem. Abgeordnete sind Volksvertreter und die sollten in Sachen Gesetz auf dem Laufenden sein. Wie wir vor kurzem im Fall Traversini gesehen haben,genügt es nicht " ein guter Junge zu sein der immer freundlich grüßt" um Abgeordneter zu sein.Wie einst ein bekannter Anwalt sagte:"Wenn mich jemand fragt Metzger oder Finanzminister zu werden,dann sage ich NEIN,denn ich habe das nicht gelernt." Genau so solte es auch bei Wahlen sein. Nicht jeder Jemp oder Pier ist als Abgeordneter geeignet,nur weil er gut reden kann.