135 Minuten in zwei Spielen nacheinander auf dem Platz zu stehen, ist für Anthony Moris schon fast etwas Außergewöhnliches. Zuletzt war dies im Oktober 2016 der Fall. Der Torwart der luxemburgischen Nationalmannschaft hat schwere Monate hinter sich. Zunächst warf ihn ein Kreuzbandriss aus der Bahn und danach war er nur die Nummer 2 beim FC Malines. Nach starken Leistungen in den Länderspielen gegen Senegal (0:0) und Georgien (1:0) hofft der 28-Jährige, bald einen neuen Verein zu finden. Sein Weg könnte ihn weg aus Belgien führen.
Tageblatt: Anthony, wie wichtig war es, gegen Senegal und Georgien zweimal nacheinander kein Tor zu kassieren?
Anthony Moris: Sehr wichtig. Nach der 0:4-Niederlage im März gegen Österreich war uns allen bewusst, dass wir in der Defensive anders agieren müssen. Das ist uns als Kollektiv in den beiden Länderspielen gegen Senegal und Georgien sehr gut gelungen und hilft uns dabei, die Nations League im kommenden September mit der Hoffnung anzugehen, etwas erreichen zu können.
Musste Nationaltrainer Luc Holtz warnende Worte an euch richten?
Nein, uns war klar, dass wir in der Bringschuld sind. Zudem haben einige starke individuelle Leistungen in den beiden Spielen uns die Aufgabe erleichtert. Lars Gerson hat hervorragende Arbeit in der Innenverteidigung verrichtet. Im Vorfeld haben wir sehr viel mit ihm diskutiert und die beiden gelernten Verteidiger an seiner Seite, Kevin Malget und Enes Mahmutovic, haben ihm auf dem Platz geholfen. Wenn man bedenkt, dass wir ohne Chris Philipps und Maxime Chanot auskommen mussten, dann sieht man, welche Qualität in der Mannschaft steckt.
Seid ihr nun bereit, um die Nations League anzugehen?
Die Abwehrarbeit war gut, aber wir müssen uns noch in den 30 bis 40 Metern vor dem Tor verbessern und uns mehr Gelegenheiten herausspielen. Aber man hat gesehen, dass unsere Basis stimmt. Zudem haben wir in diesem Jahr eine positive Bilanz (2 Siege, 1 Unentschieden, 1 Niederlage, Anm. d. Red.). Das gibt uns Selbstvertrauen für die Nations League. Zudem verfügen wir über eine talentierte Generation und einen Trainerstab, der uns vor jeder Partie die richtigen Informationen und Anweisungen mit auf den Weg gibt.
Wie war es für dich, nach einem Jahr fast ohne Spielpraxis endlich wieder die Nummer eins zu sein?
Es war ein schwieriges Jahr für mich. In Malines hätte ich es verdient gehabt, dass der Trainer mir Vertrauen schenkt und mich spielen lässt. Leider habe ich meine Chance nie erhalten, obwohl ich in der Vergangenheit in der Nationalmannschaft und im Verein selten enttäuscht habe. Es zeugt von Professionalismus, wenn man lange auf der Tribüne sitzt und dann im richtigen Moment seine Leistung abrufen kann. Ich hatte unglaublich viel Lust, mit der Nationalmannschaft anzutreten, kann dem Team mit meiner Erfahrung helfen und spüre das Vertrauen von Luc Holtz.
Vor einigen Wochen wurdest du mit KAS Eupen in Verbindung gebracht. Die Scouts des belgischen Erstligisten waren bei beiden Spielen präsent. Wurdest du beobachtet?
Das wusste ich nicht, aber es ist ein gutes Zeichen, dass Eupen da war. Es kommen immer mehr Scouts ins Stade Josy Barthel. Wir sind eine Nation geworden, die attraktiv ist. Viele Spieler aus der BGL Ligue haben Potenzial und können den Sprung ins Profigeschäft schaffen.
Hat Eupen dir ein Angebot unterbreitet?
Nein, es gab nur einen kurzen Informationsaustausch. Ich gehe davon aus, dass in diesem Jahr die Transfers wegen der Weltmeisterschaft etwas später über die Bühne gehen. Alle Vereine erhoffen sich einen guten Deal. Ich habe mich darauf eingestellt, dass ich Geduld bewahren muss.
Du besitzt noch ein Jahr Vertrag in Malines. Ist es auch möglich, dass du bei deinem aktuellen Verein bleibst?
Nein, dafür sind intern zu viele Sachen vorgefallen. Ich wäre bereit gewesen, mit in die zweite belgische Liga zu gehen – aber nur als Nummer eins. Das ist aber nicht der Fall. Es ist nicht im Interesse der beiden Seiten, dass ich in Malines bleibe.
Suchst du nach einem Verein, der den Nummer-eins-Status garantieren kann?
Das wäre nach meinen vielen Verletzungen mit Sicherheit das Beste für mich. Die Leistungen in der Nationalmannschaft können mir dabei helfen, einen Verein zu finden, der mir diesen Status anbietet. Ich habe auch in Belgien in der Vergangenheit öfters bewiesen, was ich kann und deshalb gehe ich davon aus, dass ich trotz meiner mangelnden Spielpraxis einen Verein finden kann, der Vertrauen in mich setzt.
Kannst du dir auch vorstellen, die belgische Liga zu verlassen?
Im Moment sieht es ganz danach aus. Ich bin bereit für ein neues Land und eine neue Kultur. Auch meine Frau kann sich mit diesem Gedanken anfreunden. Es gibt auch bereits einige Vereine aus dem Ausland, die sich nach mir erkundigt haben.
In den letzten Jahren wurdest du vom Verletzungspech nicht verschont. Hast du an ein Karriereende gedacht?
Niemals. Nach all den Opfern, die ich seit meiner Kindheit gebracht habe, und aus Respekt vor der Chance, die ich habe, Profifußballer zu sein, kam dieser Gedanke mir nie in den Sinn. Ich stehe jeden Tag mit einem Lächeln auf, habe einen gestählten Charakter und bin bereit, noch einiges für meine Karriere zu opfern. Nach dem Abstieg mit Malines war die Saison für mich bereits im März beendet. Seitdem habe ich mich bei einem der besten Physiotherapeuten Belgiens in Form gehalten. Ich wollte unbedingt für diese wichtigen Spiele mit Luxemburg bereit sein, denn ich wusste, dass sie entscheidend für den weiteren Verlauf meiner Karriere sein werden.
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