Tageblatt: „Bye bye, Bayern“: Wie oft wurden Sie in München bereits mit dem legendären Spruch Ihres Vaters Klaus Toppmöller – der damals Trainer bei der Eintracht Frankfurt war – konfrontiert?
Dino Toppmöller: Überraschenderweise wurde ich kein einziges Mal darauf angesprochen. Das war 1993 und ist auch schon eine Weile her. Mein Vater wollte damals einen witzigen Spruch reißen und keineswegs überheblich sein. Eigentlich hatte er den Spruch von den Fans von Norwich City übernommen. Die Engländer hatten die Bayern drei Tage davor aus dem UEFA-Pokal geschmissen und danach sangen deren Fans „Bye bye, Bayern“.
Im vergangenen Sommer sind Sie zusammen mit Julian Nagelsmann von RB Leipzig zu Bayern München gewechselt. Welche Momente haben Sie in dieser Zeit geprägt?
Am markantesten und intensivsten war sicherlich die Zeit, als Julian Nagelsmann wegen einer Corona-Infektion nicht dabei sein konnte und ich in der ersten Reihe stand. Mein erstes Spiel war ausgerechnet auswärts in der Champions League gegen Benfica Lissabon. Das war natürlich für mich, der eine Benfica-Vergangenheit hat, schon sehr speziell. Als die Champions-League-Hymne bereits lief und ich aus dem Spielertunnel gekommen bin, hat mich sogar ein Fan gerufen, den ich noch aus Zeiten bei RM Hamm Benfica kannte. Der 4:0-Sieg in Lissabon war natürlich ein tolles Erlebnis. Meine Aufgabe hat sich aber nicht großartig verändert. Ich bin weiterhin der Co-Trainer und habe zu diesem Zeitpunkt halt nur die Gespräche mit den Medien und die Kabinenansprache übernommen. Nach Lissabon ging es gut weiter mit einem weiteren 4:0-Sieg gegen Hoffenheim und dann kam die 0:5-Niederlage im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach.
Haben Sie sich für diese Schlappe verantwortlich gefühlt?
Es war ein prägendes Erlebnis und ein Moment, an dem man wachsen oder auch zerbrechen kann. Nicht nur im Erfolgsfall steht man im Rampenlicht, sondern eben auch bei so einer krachenden Niederlage. Ich bin dankbar für diesen Moment und bin unheimlich stolz, dass wir danach mit einem 5:2-Sieg bei Union Berlin die passende Antwort geliefert haben. Es war auch wichtig für mich, die Mannschaft mit einem Erfolgserlebnis wieder an Julian (Nagelsmann) zu übergeben. Generell war es aber so, dass ich mich nicht für die Niederlage alleine verantwortlich gefühlt habe, genauso wenig wie ich mich für unsere Siege alleine verantwortlich fühle. Ich glaube, dass es mir insgesamt gut gelungen ist, die Mannschaft nach der 0:5-Niederlage wieder aufzubauen und auch meine Kabinenansprache in Berlin hat gefruchtet.
Bayern München ist ein Klub, der polarisiert. Wie war als kleiner Junge Ihr Verhältnis zu Ihrem heutigen Arbeitgeber?
Meine ältere Schwester war Bayern-Fan und deshalb war für mich von vornherein klar, dass ich mir einen anderen Verein suchen musste – vor allem, um sie zu ärgern. Ich musste ja in dem Moment genau das Gegenteil sein und habe mir den 1. FC Nürnberg als Verein ausgesucht. So konnten wir uns jahrelang gegenseitig aufziehen. Als kleiner Steppke habe ich immer mit Vereinen sympathisiert, bei denen ich Spieler toll fand. Und in Nürnberg war das halt Andreas Köpke. Der war zwar Torwart und ich Stürmer, aber ich fand den super. Auch zum 1. FC Kaiserslautern habe ich ein besonderes Verhältnis. Innerlich bewegt sich was, wenn ich am Betzenberg vorbeifahre, da mein Vater dort eine tolle Karriere hatte. Ich würde mich freuen, wenn der Verein wieder in die 2. Bundesliga aufsteigen würde.
Wie hat sich Ihr tägliches Leben verändert, seit Sie Teil des FC Bayern sind?
Das hält sich in Grenzen. Es wird kein Hype ausgelöst, wenn der Co-Trainer durch die Stadt läuft. Klar erkennt man mich ab und zu, aber das ist alles so human und daher überhaupt kein Problem. Mein Leben hat sich eher verändert, als ich nach Leipzig gewechselt bin und der Fußball noch mehr meinen Lebensrhythmus bestimmt hat als vorher. Wie jeder normale Mensch hole ich aber meine Kinder von der Schule ab – der einzige Unterschied ist halt, dass ich mich täglich mit Fußball beschäftige.
Sind Sie als Pfälzer mittlerweile in München heimisch geworden?
Wir fühlen uns sehr wohl. Wir haben eine super Wohnung gefunden, die wir bereits im August bezogen haben. Meine zwei Söhne sind sehr gut angekommen, was sehr wichtig für den Wohlfühlfaktor ist. Beide spielen Fußball: der Jüngere bei der U12 von Bayern München und der Ältere bei der TSV München-Solln, in dem Stadtteil, in dem wir wohnen. Beide sehen Fußball auf unterschiedliche Weise. Der Kleine ist ein richtiger Torjäger und will sich auch dauernd verbessern, während der Größere den Sport als Anschlussmöglichkeit sieht und sich in seiner neuen Mannschaft total wohlfühlt.
Vor sieben Jahren waren Sie noch Spielertrainer bei RM Hamm Benfica, heute Assistenztrainer bei Bayern München. Sind Sie mit Ihrem Werdegang zufrieden?
Vor allem in den vergangenen zwei Jahren ging es sehr schnell. Rückblickend sind Dinge passiert, die ich nicht so toll fand zu diesem Zeitpunkt, die mich aber in die richtige Richtung gebracht haben. Es hat angefangen in Salmrohr. Ich war damals während zweieinhalb Jahren spielender Co-Trainer und habe in rund 60 Spielen fast 70 Tore erzielt. Dann kam ein Trainer, mit dem ich menschlich überhaupt nicht klargekommen bin und ich bin nach Mehring gewechselt. Wäre dieser Trainer damals nicht nach Salmrohr gekommen, würde ich vielleicht heute noch dort kicken. Für mich war nämlich zu diesem Zeitpunkt klar, dass ich noch einige Jahre als Fußballer vor mir hatte. Es kam jedoch anders und deshalb wechselte ich dann auch als Spielertrainer zu RM Hamm Benfica und danach zum F91 Düdelingen. Nach meiner tollen Zeit in Düdelingen ging es weiter nach Virton und da hatte Mäzen Flavio Becca dann auch wieder die tolle Idee, einen Sportdirektor einzustellen, mit dem ich nicht klargekommen bin. Es blieb mir nichts anderes übrig, als zurückzutreten – obwohl die Truppe super war und die Menschen im Verein auch. Ich hätte gerne das Werk vollendet, denn Union Saint-Gilloise zeigt derzeit, was in Belgien möglich ist mit guten Strukturen und Fachkompetenz. Nach der Erfahrung in Virton war ich ein paar Wochen niedergeschlagen. Durch meine Resultate mit Düdelingen und die Ausbildung zum Fußballlehrer ist dann die Zusammenarbeit mit Julian (Nagelsmann) zustande gekommen.
Wie würden Sie das Verhältnis zu Ihrem Chef Julian Nagelsmann beschreiben?
Ich habe das Gefühl, dass ich ein sehr wichtiger Mitarbeiter und wichtiger Ansprechpartner für ihn bin. Er lässt mich spüren, dass er meine Meinung schätzt, und das macht Spaß. Julian (Nagelsmann) ist ein Trainer, bei dem ich überhaupt keine Probleme habe, mich fachlich ihm unterzuordnen. Das würde nicht mit sehr vielen Trainern funktionieren. Ich habe einen hohen Anspruch an mich selbst und bin auch selbstbewusst genug, zu sagen, dass ich den Trainerjob draufhabe. Bei Julian (Nagelsmann) fällt es mir jedoch sehr leicht, meine Rolle als Assistent anzunehmen, weil es einfach menschlich und fachlich super passt.
Wie groß ist der Drang, bald wieder Cheftrainer zu sein?
Ich bin bei Bayern München, um den maximalen Erfolg zu haben und Rekorde zu brechen – auch wenn die Maßstäbe hier besonders hoch sind. Aber auch damals in Düdelingen habe ich Flavio Becca gesagt, dass ich in Europa für Furore sorgen will. Damals hat er mich nur ausgelacht und drei Jahre später lief er durch das San Siro und schüttelte Gattuso und Co. die Hände. Klar habe ich Blut geleckt, als ich Julian (Nagelsmann) ersetzt habe und ich kann mir gut vorstellen, dass ich noch einmal Cheftrainer sein werde. Wann das sein wird, kann ich heute aber noch nicht sagen. Anfragen gibt es eigentlich ständig. Vergangenen Winter hat sich zum Beispiel Standard Liège gemeldet. Derzeit fühle ich mich aber sehr wohl und will noch einige Zeit bei den Bayern bleiben.
Ihr Vater hat in einem Interview gesagt, dass Sie ein deutliches besseres Verhältnis zu Ihren Spielern haben, als er es zu seiner Zeit hatte. Welche Vorbilder hatten Sie in dieser Hinsicht?
Mein Vater ist kommunikativ ein super Trainer gewesen. Ich hab ihn ja selbst miterlebt: Er hatte immer einen guten Draht zu den Spielern. Was er meint, ist, dass ich deutlich empathischer als er bin. Ich kann mich besser in Menschen hineinversetzen. Es ist wichtig, dass die Spieler gerne zum Training kommen und sich im Verein wohlfühlen – wohl wissend, dass wir uns nicht in den Armen liegen und ins Ferienlager fahren. Für die heutigen Generationen ist es wichtig, dass jeder sich wohlfühlt, sich frei entfalten kann und mit Spaß bei der Sache ist. Ich glaube, dass es eine meiner Stärken ist, das Wohlgefühl und die Leistungsgesellschaft miteinander zu verbinden. Dafür braucht man jede Menge Empathie und die habe ich definitiv von meiner Mutter vererbt bekommen.
Fünf Jahre waren Sie Trainer und Spieler in der Ehrenpromotion und BGL Ligue. Geht Ihr Blick noch ab und zu nach Luxemburg?
Ich guck mir ab und zu ein paar Spiele im Livestream an, weiß auch, dass Düdelingen Tabellenführer ist und Hesperingen eine sehr durchwachsene Saison spielt. Ich interessiere mich auch für die Leistungen meiner ehemaligen Schützlinge. Da ist schon noch ein bisschen Verbundenheit vorhanden.
Steckbrief
Name: Dino Toppmöller
Geboren am 23.11.1980
Nationalität: Deutscher
Position als Aktiver: Stürmer
Stationen als Aktiver: SV Rivenich, FSV Salmrohr, 1. FC Saarbrücken (alle D), Manchester City (ENG), VfL Bochum, Eintracht Frankfurt, Erzgebirge Aue, Jahn Regensburg, Kickers Offenbach, FC Augsburg (alle D), F91 Düdelingen, FSV Salmrohr, SV Mehring (beide D), RM Hamm Benfica
Stationen als Trainer: SV Salmrohr (Co-Trainer/D), SV Mehring (Co-Trainer/D), RM Hamm Benfica (zunächst Spielertrainer, danach Trainer), F91 Düdelingen, Excelsior Virton (B), RB Leipzig (Co-Trainer), Bayern München (Co-Trainer/beide D)
Größte Erfolge als Trainer: Erstmalige Qualifikation einer luxemburgischen Mannschaft für die Gruppenphase der Europa League mit dem F91 Düdelingen (2018/19), dreimal luxemburgischer Meister, zweimal luxemburgischer Pokalsieger
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