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CoronavirusSpanien beklagt mehr als 6.500 Tote – und fährt die Wirtschaft komplett herunter

Coronavirus / Spanien beklagt mehr als 6.500 Tote – und fährt die Wirtschaft komplett herunter
In Barcelona nähen die Straßenverkäufer jetzt Schutzmasken für den Gesundheitssektor Foto: Josep Lago/AFP

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Die Hoffnungen erfüllten sich nicht: Vor zwei Wochen verhängte Spaniens Regierung eine weitgehende Ausgangssperre, um die Ausbreitung der Corona-Epidemie spürbar zu bremsen. Nur zum Arbeiten, Einkaufen und für den Arztbesuch durften die Menschen vor die Tür. Doch die Zahl der Infektionen und Toten klettert immer weiter in die Höhe.

Brennpunkt der Epidemie ist die Hauptstadtregion Madrid, wo nun wegen des Corona-Dramas auf unbestimmte Zeit alle Fahnen auf halbmast gesetzt wurden. Bis Sonntag starben allein in Madrid 3.100 Menschen, das ist rund die Hälfte aller Todesopfer in Spanien.

In einem weiteren Schritt im Kampf gegen das Coronavirus verschärfte Spaniens Regierung am gestrigen Sonntag die Einschränkung der Bewegungsfreiheit: Nach dem Beispiel Italiens müssen ab heute auch die Arbeiter und Angestellten, die bisher noch in Fabriken, Büros und auf Baustellen den Betrieb aufrechterhielten, zu Hause bleiben. Das Gehalt wird weiter gezahlt, die nicht geleisteten Arbeitsstunden sollen später nachgeholt werden. Entlassungen sind verboten.

Zunächst gilt diese Notstandsregelung, welche die Wirtschaft praktisch lahmlegt, bis Ostern. Doch mit Verlängerung der kollektiven Quarantäne bis wenigstens Ende April muss gerechnet werden. „Das sind harte, aber entscheidende Tage“, sagte Ministerpräsident Pedro Sánchez in einer TV-Ansprache am Wochenende. Die ganze Nation müsse Opfer bringen und mit Disziplin dazu beitragen, dass die Infektionskurve endlich abflache.

Gestern musste Fernando Simón, der Sprecher der spanischen Gesundheitsbehörden, schon wieder traurige Rekorde verkünden: 78.800 bestätigte Krankheitsfälle wurden bisher registriert – ein Anstieg um rund 6.500. Die offiziellen Zahlen sind aber nur die Spitze des Eisberges, da die meisten Verdachtsfälle nicht getestet und somit auch nicht mitgezählt werden. Simón: „Wir wissen nicht, wie viele Fälle es in Wirklichkeit gibt.“

Zugleich wurden 6.530 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus SARS-CoV-2 gemeldet. Das ist ein Zuwachs von 840 Toten in 24 Stunden. Auch hier muss von einer größeren Dunkelziffer ausgegangen werden. Experten weisen aber einschränkend darauf hin, dass nicht durchweg klar ist, ob die Opfer an der durch das Virus verursachten Lungenkrankheit Covid-19 oder an einer in den meisten Fällen vorhandenen Vorerkrankung starben – zwei Drittel der Toten sind älter als 80.

Hilferuf an die EU

Immerhin wird nach Einschätzung des Epidemiologen Simón doch ein kleines Licht am Ende des Tunnels sichtbar: Die absoluten Infektions- und Totenzahlen steigen zwar weiter, aber die täglichen prozentualen Zuwächse seien geringer geworden. Gestern zum Beispiel sei die gemeldete Zahl der Kranken, verglichen mit dem Vortag, nur noch um neun Prozent geklettert. „Eine Entwicklung in die korrekte Richtung“, sagte Simón. In den ersten Wochen der Epidemie hatte sich die Fallzahl zuweilen innerhalb von 24 Stunden verdoppelt.

Spaniens Premier Sánchez schickte derweil einen verzweifelten Hilferuf an die EU: Spanien könne die Milliardenkosten für die Bewältigung der Corona-Krise nicht alleine tragen. Er forderte massive europäische Finanzhilfe in Form von „Corona-Bonds“ der Europäischen Zentralbank, um Spanien vor einer neuen Schuldenkrise zu bewahren. Europa müsse eine Art Marshall-Plan zur Bewältigung der Epidemie in Gang setzen.

Eine Forderung, die auch von den Regierungen Frankreichs, Italiens, Griechenlands, Portugals, Belgiens, Irlands, Sloweniens und Luxemburgs unterstützt wird. Diese Länder wandten sich zusammen mit Spanien in einem Brief an EU-Ratschef Charles Michel. In dem Schreiben verweisen die neun EU-Staaten darauf, dass die verheerenden Folgen der Epidemie alle Mitgliedsstaaten betreffen und somit auch eine solidarische Antwort erfordern würden.