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ItalienHäftlingsrevolte wegen Corona-Epidemie

Italien / Häftlingsrevolte wegen Corona-Epidemie
Sechs der acht Häftlinge, die in Italien ums Leben gekommen sind, waren im Gefängnis von Modena inhaftiert Foto: AFP/Piero Cruciatti

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In mehreren italienischen Haftanstalten haben die Insassen revoltiert. Inzwischen sind acht Todesopfer zu beklagen. In der Bevölkerung wächst der Unmut über die drastischen Maßnahmen der Regierung zur Einschränkung des Coronavirus. Doch die Verbreitung des Virus gibt der Conte-Regierung recht.

Sechs Häftlinge kamen in der Haftanstalt von Modena ums Leben, trotz Intensivtherapie und Verlegung in eine andere Anstalt konnte ihr Leben nicht gerettet werden. Zwei weitere Todesopfer waren in Alessandria zu beklagen. Die Häftlinge hatten bei einer Revolte die Gefängnisapotheke gestürmt und starben an einer Überdosis von Psychopharmaka.

Am Wochenende hatte sich der Unmut der Gefängnisinsassen explosionsartig entladen: Die drastischen Maßnahmen der Regierung zur Kontakteinschränkung und dem Erlass oranger und roter Zonen führte zwangsläufig auch zur Besuchseinschränkungen in den Haftanstalten. Zu gewaltsamen Protesten kam es außer in Modena und Alessandria auch in Rom, Neapel und Foggia. Aus dem letztgenannten Gefängnis hatten eine größere Anzahl der Häftlinge zu fliehen versucht, die meisten der Flüchtigen konnten jedoch wieder eingefangen werden. Auf der Suche nach den übrigen setzte die italienische Regierung auch Militär ein. In einigen Haftanstalten setzten die Protestierenden auch Matratzen in Brand, verschanzten sich in abgesperrten Zonen. In Pavia südlich von Mailand nahmen die Internierten zeitweise zwei Wärter als Geiseln.

Die Revolte der Häftlinge in den Anstalten gilt in Italien als Symptom für die sich verschlechternde Lage im Lande. Rom zeigte sich genötigt, weite Teile des Nordens zu Sperrzonen zu deklarieren – nur mit Ausnahmegenehmigungen kann man sie betreten oder verlassen. Vor dem Dekret, das Premierminister  Giuseppe Conte persönlich verlas, versuchten viele Süditaliener, die im Norden des Landes arbeiten und leben, die Zonen zu verlassen, um sich zu ihren Familien in Apulien und Kalabrien zu begeben.

Drastische Auswirkungen auf Wirtschaft

Die Verwandten zeigten sich wenig erbaut über die Welle der Zureisenden. Allerorten befürchtet man durch die akute Reisewelle eine drastische Verbreitung der Virusinfektion. Die exponentiell steigenden Infektionsraten scheinen diesen Befürchtungen recht zu geben. Aktuell sind 6.387 Menschen infiziert. 366 Patienten starben an Covid-19, 622 sind nach Angaben der Gesundheitsbehörden genesen.

Niemand weiß jedoch wie hoch die Dunkelziffer ist, denn die Experten gehen davon aus, dass Menschen mit leichtem Verlauf sich nicht bei den Krankenhäusern melden. Auch gibt es keinen Überblick über die chinesischen Enklaven wie Prato, wo über 25.000 Chinesen leben und einige Tausend nach den Neujahrsfesten aus China heimkehrten.

Die Einrichtung der Zonen vor allem im industriellen Norden des Landes hat zu drastischen Einbußen geführt. Ebenso liegt der Tourismus am Boden. Die Börse in Mailand verzeichnete gestern ein Minus von 11 Prozent, der Zinsunterschied zwischen deutschen und italienischen Anleihen – Spread genannt – stieg auf über 200 Punkte. Der Spread war immer ein sicheres Zeichen für die Lage der italienischen Wirtschaft, zu den Krisenzeiten unter Berlusconi stieg er auf über 300 Punkte.

Italiens Bevölkerung beobachtet die Entwicklung mit Sorge, dennoch verläuft das Leben in vielen Bereichen des Landes ruhig und fast normal, drastische Hamsterkäufe waren nur zeitweise zu beobachten. Gesundheitsbehörden und Regierung behalten sich vor, die Maßnahmen auszuweiten.