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Was auf dem Spiel steht

Was auf dem Spiel steht
(dpa)

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Die Mission der UNO-Beobachter in Syrien hat begonnen. Der Erfolg scheint alles andere als gewiss.

In erster Linie ist es natürlich das Regime, das nicht sonderlich auf unerwünschte Zeugen erpicht ist und schnell noch, bevor internationale Ultimaten ablaufen, möglichst viele Opponenten unschädlich machen will.
Andererseits scheint mittlerweile selbst der Geduldsfaden der traditionellen Alliierten Syriens etwas dünnerzu werden. Russland will natürlich seine Marinebasis – seine einzige im Mittelmeer – bewahren, doch für die Chinesen ist nicht mehr evident, dass sie sich unbedingt bis zu Assads allfälligem bitteren Ende mit ihm verbinden müssen.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu (Bild: Tageblatt)

Gerade Peking hat wenig Interesse, im Rahmen einer ultraliberalen Weltwirtschaft als der unerschütterliche Alliierte irgendwelcher Tyrannen dazustehen. Auch wenn dem Pekinger Regime die Aversion gegen jedweden Widerstand gegenüber den „the powers that be“ geradezu in die Wolle gefärbt ist.
Für Moskau ist dies weniger evident, da Russland – außerhalb der Rüstungs- und Energiemärkte – nicht in übertrieben hohem Maße an den Weltmärkten teilnimmt.
Um es mal rücksichtsvoll zu formulieren.

Die Lage in Libyen hat weltweit die Begeisterung für den „Arabischen Frühling“ etwas abkühlen lassen. In der Tat, wenn man die Gaddafi-Despotie durch die Herrschaft von Warlords, Stammeskriegern und Mafiosi ersetzt, „dann hu mär wierklech eppes geschafft“.

Dilemma

Auf der anderen Seite hat auch der Westen die alten Despotien fallweise nachhaltig unterstützt und ist heute keineswegs unschuldig an den anarchischen Zuständen, die im Gefolge dieser Revolutionen ausbrechen können.
Dass nun die Assad-Diktatur durch die Herrschaft zutiefst freiheitsfeindlicher Islamisten ersetzt werden könnte, wird keinen freiheitsliebenden Menschen erfreuen können. Wenn aber nun der offiziell so freiheitsliebende Westen allein aufgrund dieses Argumentes das Damaszener Regime als das kleinere Übel betrachten würde, riskierte er seine eigene Glaubwürdigkeit.
Dann wären wir wieder zurück in jenen Zeiten, als Washington lateinamerikanische Massenmörder allein mit dem Argument zu unterstützen dürfen glaubte, „er ist zwar ein Drecksack, aber er ist unser Drecksack“.

Die arabische Welt befindet sich an einem Scheideweg. Ob aus der Beseitigung einer Reihe von Diktaturen nun eine bessere oder eine schlechtere Welt resultieren wird, weiß zurzeit niemand.

Die Versuchung, in einer solchen Situation „unseren Drecksack“ zu bevorzugen, ist natürlich – auch und besonders für die Israelis – übergroß.
Langfristig – dann, wenn wir bekanntlich alle tot sein werden – muss man natürlich in Erwägung ziehen, wie der Westen in den Augen der arabischen Völker dastehen wird, wenn er – in Missachtung seiner eigenen angestrengt gepflegten Freiheitsrhetorik – kurzfristigen antiislamistischen Reflexen den Vorzug geben sollte.

Es steht demnach einiges auf dem Spiel. Selbst wenn banaler kein Leitartikel enden könnte.