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Chaos in Mali

Chaos in Mali
(dpa)

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Die Kulturdenkmäler der Stadt Timbuktu im Norden Malis sind der Menschheit über Jahrhunderte hinweg erhalten geblieben. Nun fallen sie jedoch der Zerstörungswut der aufständischen Islamisten zum Opfer.

Die drei großen Moscheen der Stadt sowie etliche Mausoleen und Friedhöfe zählen seit 1988 zum Welterbe der Unesco.

Michelle Cloos mcloos@tageblatt.lu

Die religiösen Fanatiker beeindruckt das aber keineswegs. Trotz internationaler Empörung und Appellen zerschlagen sie in ihrer ideologischen Verblendung Denkmäler und Mausoleen.

Die skrupellosen Extremisten missbilligen nämlich die Verehrung von Heiligen und werfen der örtlichen Bevölkerung vor, diese so anzubeten wie „Allah“. Die Salafisten sehen das als Blasphemie an. Demnach träumen sie davon, die ihnen verhassten Bauten und Gräber dem Erdboden gleichzumachen. Anschließend wollen die Islamisten von Ansar Dine eine strikte Auslegung der „Scharia“, also des islamischen Rechts, in der „Stadt der 333 Heiligen“ einführen.

Neben dem Verlust der unersetzlichen Kulturschätze verfällt das ganze Land immer tiefer ins politische Chaos. Das westafrikanische Land bekam als erstes die Folgen des Libyen-Krieges zu spüren. Es ist nämlich keineswegs Zufall, dass der Sahel-Staat gerade jetzt zutiefst gespalten und instabil ist.

Die Folgen des Libyen-Kriegs

Der Aufstand in Libyen und der Militäreinsatz der NATO (die Nordatlantische Allianz hatte den Rebellen den Weg nach Tripolis freigebombt und dadurch erheblich zum Sturz des selbst ernannten Revolutionsführers und Despoten Muammar al-Gaddafi beigetragen) haben zahlreiche in Libyen ansässige Malier dazu veranlasst, in ihr Geburtsland zurückzukehren. Doch nicht nur Familien flüchteten.

Etliche militärisch ausgebildete und schwer bewaffnete Tuaregs reisten ebenfalls in den Norden Malis. Das Ende des libyschen Regimes erstarkte demnach die Tuareg-Nomaden. Plünderungen libyscher Arsenale brachten ebenfalls massiv neue Waffen in das fragile Land. Anfangs schlossen die Tuareg, die für die Unabhängigkeit der Region Azawad kämpfen, eine strategische Allianz mit den Islamisten, um den Norden des westafrikanischen Landes zu erobern. Dies erwies sich aber als zweischneidiges Schwert. Das Zweckbündnis war nur von kurzer Dauer. Derzeit haben die Islamisten von Ansar Dine die Oberhand, die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gruppen halten an.

Fazit: Mali ist zutiefst gespalten, der Staat scheint komplett zerfallen zu sein. Kommentatoren reden bereits von einem „afghanischen Szenario“, also von einem gescheiterten, zersplitterten Land.

Der vom Westen angeführte Libyen-Einsatz hat letztendlich Mali ins politische Chaos gestürzt und die Stabilität der gesamten Sahel-Region gefährdet. Das Resultat in Libyen ist auch nicht gerade glorios. Nur die wenigsten Milizen, die gegen das Gaddafi-Regime gekämpft hatten, haben die Waffen niedergelegt. Folter, Selbstjustiz und Hetzjagden stehen bei den bewaffneten Gruppen auf der Tagesordnung. Der Versuch einer Integration der Milizen in die reguläre Armee scheint gescheitert zu sein, und die Hoffnung auf den Aufbau eines Rechtsstaates in Libyen ist in weite Ferne gerückt.