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Wie Gettos entstehen

Wie Gettos entstehen
(AP)

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Die Krawalle zu Beginn dieser Woche in der pikardischen Metropole Amiens haben einmal mehr deutlich gemacht, welche gesellschaftliche Katastrophe durch die Schaffung sozialer Gettos heraufbeschworen wird.

Eine Unzahl junger Menschen, die ohne jede Aussicht auf sozialen Aufstieg in menschenfeindlichen Betonburgen endgelagert werden.

Logo" class="infobox_img" />Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Das ist das perfekte Rezept für Orgien der Gewalt und asozialen Verhaltens. Am meisten deprimiert daran die Tatsache, dass die Aufrührer mit Vorliebe alles abfackeln, was a priori ihrer Gemeinschaft von Vorteil sein müsste: Schulen, Läden, Postämter, Sportplätze oder sonstige öffentliche Einrichtungen.

Wenn junge Leute mit Steinen und Brandsätzen Feuerwehrfahrzeuge attackieren, die gekommen sind, um Menschen aus ihrer Cité vor dem Feuer- oder Erstickungstod zu bewahren, dann weiß man: Hier ist seelisch alles kaputt, was nur irgendwie kaputtgehen kann.

Übrigens liegt eines der Viertel, in denen genau dies geschehen ist, unmittelbar an der Luxemburger Grenze: Mont-Saint-Martin, ein Stadtteil der ehemaligen lothringischen Stahlhauptstadt Longwy. In Luxemburg sind wir längst nicht so weit, aber als jemand, der seit 22 Jahren im Escher Viertel Brill wohnt, kann der Autor dieser Zeilen aus eigener Erfahrung bezeugen, dass auch in Luxemburg die soziale Gettoisierung Ausmaße annimmt, die ernsthaft Anlass zur Sorge geben sollten.

Auch in Esch firmiert die „mixité sociale“ als prioritäres Ziel der Gemeindepolitik. Man kann die Ädilen dazu nur ausdrücklich beglückwünschen. Denn soziale Apartheid – eine Gesellschaft, in der die verschiedenen gesellschaftlichen Schichten räumlich streng getrennt leben – kann niemals die Grundlage einer wahrhaft lebenswerten Gesellschaft sein. Die „mixité sociale“ ist vielmehr die unverzichtbare Voraussetzung einer jeden wahrhaft humanen und zivilisierten Gemeinschaft.

Asozialen das Handwerk legen

Und doch erweist sich die Ankündigung einer Gemeindeführung, in einem bestimmten Viertel für die Mischung verschiedener gesellschaftlicher Schichten sorgen zu wollen, nur allzu oft als „self denying prophecy“: All jenen, die es sich finanziell auch nur im Entferntesten leisten können, wird es im Traum nicht einfallen, in einem solchen Viertel wohnen zu wollen. Und zack: Fertig ist das soziale Getto.
Woran liegt es? Nun, wer „mixité sociale“ will, der muss dafür sorgen, dass die Regeln zivilisierten Zusammenlebens nicht nur auf dem (endlos geduldigen) Papier des örtlichen „Règlement général de police“ existieren, er muss wirksam dafür sorgen, dass diese Regeln zivilisierten Zusammenlebens auch praktisch durchgesetzt werden.

Wenn zum Beispiel in einem Viertel während jeder Fußball-EM oder -WM Leute, die zum erheblichen Teil so besoffen sind, dass sie nicht mehr gehen, sondern beim besten Willen nur noch Auto fahren können, nächtelang hirnlos hupen und/oder erbärmlich muhen – bloß weil irgendeine Elf irgendein Spiel gewonnen hat –, dann fördert das nachhaltig die Entstehung sozialer Gettos.

Genauso fatal wirkt es sich aus, wenn Gemeindeobere ihr „Règlement général de police“ zwar mit wohltönenden Erklärungen spicken, sich in der Praxis aber hilflos überfordert zeigen, wenn chronisch die Bürgersteige mit Hundekot zugepflastert werden, sonntags oder nächtens der Bohrhammer dröhnt oder sich in Hinterhöfen und auf Trottoirs Müll oder Bauschutt häuft.

Asoziales Verhalten ist ein Problem, das in allen Schichten vorkommt (Stichwort „Bankster“). Gleichzeitig sollte man aber nicht so feige sein, sich aus politischer Korrektheit der Evidenz zu verschließen, dass sich derlei Probleme in sozial schwierigeren Vierteln am negativsten auf das alltägliche Zusammensein auswirken.

Wer als Gemeindepolitiker soziale Mixität – die wie gesagt das Fundament einer jeden wirklich zivilisierten Gemeinschaft darstellt – ehrlich wünscht, der muss unendlich viel Energie darauf verwenden, effizient dafür zu sorgen, dass sozialverträgliches Verhalten wirksam gefördert wird.