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Der Mann im Mond

Der Mann im Mond
(dpa)

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„Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.“ Mit diesem Schritt machte sich Neil Armstrong unsterblich.

Seine darauf folgenden Worte wurden zu einem der berühmtesten Sätze des 20. Jahrhunderts. Als Armstrong mit der Apollo in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1969 auf dem Mond landete, hatte die Menschheit einen neuen Helden.

Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu

Mehr als 500 Millionen Menschen schauten zu. Ein Fünftel der damaligen Weltbevölkerung saß in dieser geschichtsträchtigen Nacht vor dem Fernseher. Stellvertretend für sie alle machte Neil Armstrong den so entscheidenden Schritt aus der Kabine hinaus in die Mondlandschaft und wurde damit zum Helden für Millionen.

Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Barack Obama nicht auf sich warten lässt und sich sofort nach der Nachricht vom Tod dieses amerikanischen Helden zu Wort meldet: Er bezeichnet Armstrong als einen „der größten amerikanischen Helden – nicht nur zu seiner Zeit, sondern für alle Zeiten“. Und natürlich lässt Romney nicht zu, dass sein Konkurrent Obama diese ins kollektive Gedächtnis der Amerikaner eingebrannte Heldentat für sich vereinnahmt. Der designierte republikanische Präsidentschaftskandidat spricht deshalb seinerseits ebenfalls von einem „wahren Helden“.

Ein „wahrer Held“

Doch was ist ein „wahrer Held“? Und warum benutzen Politiker Vorbilder wie Armstrong, um an Stärke und Mut zu appellieren? Weil Menschen Helden brauchen, weil sie als Identifikationsfiguren dienen, die die lebensbejahende und zukunftsorientierte Botschaft vermitteln, dass alles möglich ist. Gerade in Zeiten sozialer und politischer Umbrüche wächst die Sehnsucht nach Helden und Vorbildern. Gerade in Zeiten sozialer und politischer Umbrüche werden Helden aber auch gerne instrumentalisiert.

Dabei wirken Helden unserer heutigen Normalität entgegen. Der Kapitalismus samt seiner neoliberalen Idee, dass der Einzelne nur nach seinem individuellen, persönlichen Vorteil handeln muss, damit das System bestmöglich funktioniert, kann als Gegenteil des modernen Heldentums gedeutet werden. Denn für jeden Helden gibt es etwas, das er als wertvoller erachtet als sich selbst. Wertvoller als den eigenen Erfolg, das eigene Geld, das eigene Leben. Ohne diese Einstellung gibt es keine Heldentaten.
Heldentum bedeutet, Opfer zu bringen und Risiken einzugehen. Zu Beginn jeder Heldentat steht die Möglichkeit des absoluten Scheiterns. Auch Armstrong entging vor seiner geglückten Mondlandung nur knapp dem Tod, als sein erster Raumflug wegen einer Technikpanne beinahe danebenging.

Sein Verdienst als erster Mann auf dem Mond liegt in erster Linie darin, dass er es für einen Moment schaffte, eine durch den eisernen Vorhang geteilte Welt, ein durch Rassenunruhen aufgewühltes und gespaltenes Amerika durch gemeinsames Staunen zu vereinen. Es ist nicht verwunderlich, warum Politiker ihn um diese Kraft beneiden.

Zum Helden aber wurde Armstrong vor allem auch, weil er nie einer sein wollte. Die ganze Aufmerksamkeit, die ihm, zurück auf der Erde, entgegenschlug, habe er „nicht verdient“, sagte er in einem Interview mit einem amerikanischen Fernsehsender. Nur durch „äußere Umstände“ sei er der erste Mensch auf dem Mond gewesen. Das habe niemand so geplant.

Helden der Gegenwart sind längst keine Halbgötter mehr, sondern meist mutige und bescheidene Menschen, die ihr Handeln in den Dienst einer ihnen selbst übergeordneten Sache stellen.

So wie Neil Armstrong. Oder so wie der Feuerwehrmann, der ins brennende Haus rennt, um Menschenleben zu retten.